In Barcelona bekannter als in Bayern

Zum 125. Geburtstag des Münchner Kommunisten Hans Beimler

  • Friedbert Mühldorfer
  • Lesedauer: 5 Min.

Würde man heute in Deutschland, vor allem in den westlichen Bundesländern, eine Umfrage zu Hans Beimler machen, würde man wohl nur Achselzucken ernten. In der DDR fand sich sein Name nicht nur auf Straßenschildern und an Schulen, auch auf Briefmarken; ein mehrteiliger Fernsehfilm sicherte ein Millionenpublikum. Auch wenn Beimler im Film zum makellosen, edlen kommunistischen Helden stilisiert wurde, unter Auslassung unpassender Momente, so konnte man sich doch mit dessen Leben beschäftigen.

Das war im Westen kaum möglich, denn hier fiel er als Kommunist der gängigen Verdrängung zum Opfer. Nur zwei Straßen, in Augsburg und München, sowie die Ausstellungen in der KZ-Gedenkstätte Dachau und im NS-Dokumentationszentrum München erinnern an ihn. Immerhin war ihm vor drei Jahren eine Episode in dem großen Fernsehmehrteiler »Krieg der Träume« gewidmet.

Am 2. Juli 1895 in München als Sohn einer ledigen Hausgehilfin geboren, wuchs Hans Beimler bei den Großeltern in der Oberpfalz auf. Beim Onkel erlernte er das Schlosserhandwerk, arbeitete nach kurzer Wanderschaft in München und dann auf einer Werft in Hamburg, wo er 1915 zur Marine eingezogen wurde und als Teilnehmer am Matrosenaufstand in Cuxhaven das Kriegsende erstritt. Zurück in München trat er im Januar 1919 der neu gegründeten KPD bei, kämpfte in der Roten Armee für die bayerische Räterepublik und verbüßte später zwei Jahre Haft wegen angeblich geplanter Brückensprengung. Zunächst wieder als Schlosser und zugleich als Betriebsrat tätig, widmete er sich seit Mitte der 20er Jahre ganz der Arbeit für die KPD-Bezirksleitung Südbayern. Die weiteren Stationen zeigen die wachsende Popularität Beimlers: Mitglied des Stadtrates von Augsburg, wohin er nach dem Freitod seiner ersten Frau von der Partei versetzt wurde, 1930 für die KPD in den Landtag, 1932 schließlich auch in den Reichstag gewählt.

Noch im Februar 1933 trat er in München öffentlich gegen die Nazis auf. Am 11. April wurde er verhaftet und nach stundenlangen Verhören und Folterungen am 25. April nach Dachau verschleppt. Wieder folgten Tage und Nächte des Terrors, bis schließlich eine spektakuläre Flucht gelang. Bereits diese Flucht in der Nacht des 8. Mai 1933, deren genaue Umstände ungeklärt blieben, mehr jedoch sein bald veröffentlichter Erlebnisbericht »Im Mörderlager Dachau. Vier Wochen in den Händen der braunen Banditen« machten ihn weit über seine bayerische Heimat hinaus bekannt. Nach wochenlangem Verstecken in München und Berlin hatte er in die Sowjetunion fliehen und die Broschüre in kurzer Zeit schreiben können. Sie wurde rasch international verbreitet und legte ein frühes Zeugnis ab von der ungeheuren Brutalität, mit der die Nazis vor allem gegen die Arbeiterbewegung vorgingen; das hat bis heute authentisches Gewicht. Und das war - unausgesprochen - auch ein Eingeständnis der Unterschätzung der neuen Qualität des Faschismus durch die KPD.

Beimler selbst glaubte dennoch, seine Schrift würde helfen, den Menschen in Deutschland die Augen zu öffnen und sie zum Massenwiderstand zu bewegen. Dem diente ebenso seine Arbeit im Exil in der Tschechoslowakei und anschließend in der Schweiz, wo er für die Rote Hilfe den illegalen Widerstand in Süddeutschland zu organisieren versuchte. Im Sinne der Volksfrontpolitik der KPD knüpfte er sogar Kontakte zu monarchistischen Anti-Nazi-Kreisen. Als sich im Sommer 1936 eine Kontaktperson in München als ein V-Mann der Gestapo erwies, der bis an die Spitze der südbayerischen KPD gelangte und dabei weit über 100 Nazigegner der Polizei verriet, war seine Tätigkeit in der Schweiz abrupt beendet.

Zu gleicher Zeit putschte in Spanien General Franco gegen die Republik, und viele deutsche Antifaschist*innen eilten zu deren Verteidigung auf die Iberische Halbinsel. Beimler wurde von seiner Partei mit der politischen Betreuung und Organisation der Kämpfer*innen beauftragt. Aufgrund seiner zupackenden und unkonventionellen Art war er bei den Angehörigen seiner »Centuria Thälmann« beliebt, freilich nicht immer bei den Vorgesetzten. Am 1. Dezember 1936 wurde Beimler bei einem Inspektionsgang an der Front im Madrider Universitätsviertel von einer tödlichen Kugel getroffen. Hunderttausende nahmen mit Trauerzügen von Madrid bis Barcelona Abschied von dem Mann, der die Solidarität eines deutschen KZ-Überlebenden mit dem freien Spanien symbolisierte. Schnell tauchten allerdings bereits damals Gerüchte auf, geschürt vor allem seitens der Nazipresse, aber auch von Beimlers Unterstützerin in der Schweiz, Antonia Stern, er sei von den eigenen Leuten aufgrund von Differenzen mit der offiziellen Parteilinie umgebracht worden. Wirklich belastbare Quellen fanden sich dafür bis heute nicht.

Beimlers Tod brachte seiner zweiten Frau Centa die ersehnte Freiheit; über drei Jahre war sie von den Nazis in »Sippenhaft«, unter anderem im KZ Moringen, festgehalten worden. »Ich hab mir schon in der Haft in Moringen gedacht, als wir vom Putsch in Spanien gehört haben, dass der Hans da sicher hingeht und nicht ruhig in der Schweiz sitzen bleibt. Und besser, er ist in diesem Kampf gefallen, als nochmals den Nazis in die Hände zu fallen«, erinnerte sie sich später an ihren Gefährten. Beimlers Popularität in der internationalen Arbeiterbewegung, teils noch heute, verdankte wohl letztlich auch Sohn Johann (Hans) sein Leben, der zusammen mit seiner Schwester Rosi in der Sowjetunion Zuflucht gefunden hatte und 1938 gleich anderen Jugendlichen von Stalins Bütteln fälschlich »konterrevolutionärer faschistischer« Bestrebungen beschuldigt wurde, jedoch freigelassen werden musste.

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