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Polittänzchen um Tiktok
Microsoft möchte mit der Übernahme des US-Geschäfts sich und Donald Trump einen Gefallen tun
Es wäre ein Paukenschlag in der Social-Media-Branche: Der Softwareriese Microsoft möchte das US-Geschäft der erfolgreichen App Tiktok vom chinesischen Eigentümer Bytedance übernehmen. Man strebe bis Mitte September einen Deal an, bestätigte Microsoft-Chef Satya Nadella am Sonntag (Ortszeit). Dieser soll auch Kanada, Australien und Neuseeland umfassen.
Auf Tiktok können Nutzer kurze Smartphonevideos von sich veröffentlichen. Die App gehört zu den größten Profiteuren der Coronakrise, war bei Jugendlichen aber auch schon zuvor voll im Trend. Laut dem Datenportal AppAnnie führt Tiktok in diesem Jahr sowohl im Apple-, als auch im Google-App-Store die Downloadcharts (ohne Videospiele) an. Die Zahl der monatlich aktiven Nutzer wird inzwischen auf rund eine Milliarde geschätzt. Der bei Weitem größte Teil entfällt auf Festlandschina mit der zensierten Version Douyin, gefolgt von Indien und Brasilien. 70 Prozent der Nutzer sind unter 25 Jahren.
Tiktok ist indes die erste in China entwickelte App, die auch in Europa und Nordamerika populär geworden ist. Allein in den USA wird die aktive Nutzerzahl auf 100 Millionen geschätzt. Das hat den notorisch antichinesischen Präsidenten Donald Trump auf den Plan gerufen. Ähnlich wie bei den Attacken des rechten Politikers auf den Mobilfunkausrüster Huawei, behauptet er, Tiktok gebe wichtige Daten von US-Nutzern an chinesische Behörden weiter, womit die nationale Sicherheit bedroht sei. Bytedance hat der Behauptung mehrfach widersprochen und erklärt, die Tiktok-Daten amerikanischer Nutzer würden auf Servern in den USA gespeichert und dort verarbeitet.
Das chinesische Unternehmen reagierte auf die bereits seit Herbst 2019 vorgetragenen Vorwürfe auch ganz im Trumpschen Sinne: Es kündigte eine massive Stärkung seiner Filiale im Silicon Valley an. Die Chefin von Bytedance in den USA, Vanessa Pappas, erklärte am Wochenende, Tiktok sei stolz auf seine 1500 US-Angestellten und werde »10 000 weitere Stellen in den kommenden drei Jahren in den USA schaffen«. Darüber hinaus wurde der langjährige Disney-Manager Kevin Mayer im Juni Chef von Tiktok.
Das alles scheint Trump nicht zu reichen. Der Präsident hatte am Freitag angekündigt, er wolle die App in den USA verbieten, womöglich schon am Samstag. Zunächst passierte allerdings nichts. Außenminister Mike Pompeo legte jetzt mit der Aussage nach, Trump werde »in den kommenden Tagen zur Tat schreiten«. Beobachter weisen aber darauf hin, dass völlig unklar sei, auf welcher Grundlage ein Verbot überhaupt durchgesetzt werden könnte.
Ganz offensichtlich hofft Microsoft, von dieser Situation profitieren zu können. Der US-Konzern ist noch immer vor allem im traditionellen Geschäft mit Computersoftware stark vertreten und expandierte zudem in den vergangenen Jahren über seine Plattform Azure bei Clouddienstleistungen. Im Bereich Social Media ist man mit dem Karrierenetzwerk Linkedin erfolgreich, nicht aber im Unterhaltungsbereich und bei jungen Nutzern. Mit einem Tiktok-Deal könnte man auf einen Schlag in den USA in die erste Liga mit Facebooks Instagram aufsteigen.
Am Wochenende traf sich Microsoft-Chef Nadella mit Trump, um seine Pläne zu erläutern. Der Konzern wolle dafür sorgen, dass alle persönlichen Daten von US-Bürgern in die USA übertragen und nur dort gesammelt werden, so der Manager. Eine Übernahme käme nur im Einvernehmen mit der US-Regierung und im Zuge einer Sicherheitsprüfung infrage käme.
Bytedance will nichts von einem Verkauf wissen: »Wir gehen nirgendwo hin«, sagte US-Chefin Pappas. Man tritt zurecht selbstbewusst auf, denn mit einem aktuell auf 100 Milliarden Dollar geschätzten Firmenwert gilt die Tiktok-Mutter als wertvollstes Start-up der Welt. Und die nicht börsennotierte Firma hat diverse internationale Investoren wie die japanische Softbank und den US-Wagniskapitalgeber Sequoia Capital. Microsoft zeigte sich offen dafür, zumindest die amerikanischen Anteilseigner mit ins Boot zu holen.
Jenseits der politisch motivierten Attacken der US-Regierung gibt es indes auch ernsthafte Bedenken, dass bei Tiktok Datenschutz nicht allzu groß geschrieben werden. Besonders heikel ist, dass wegen der oft minderjährigen Nutzer auch die strengeren Regeln des Jugendschutzes greifen müssten. Auch Bytedance macht seine Gewinne - 2019: drei Milliarden Dollar - mit Werbung. Die Verwertung von Daten spielt dabei eine große Rolle. Das gilt natürlich auch für die vergleichbaren Dienste von US-Konzernen wie Facebook, die bei Trump nicht auf der Abschussliste stehen. Klar ist damit: Sollte Microsoft mit den Übernahmeplänen Erfolg haben, kann man sich schon mal auf Ärger mit Datenschützern einstellen.
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