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Atempause für Argentinien

Die Regierung in Buenos Aires einigt sich mit ihren Privatgläubigern auf eine Umschuldung

  • Jürgen Vogt, Buenos Aires
  • Lesedauer: 3 Min.

»In den kommenden zehn Jahren müssen wir 37,7 Milliarden Dollar weniger zahlen.« Mit sichtlich erleichterter Miene verkündete Argentiniens Präsident Alberto Fernández den Durchbruch nach monatelangen zähen Verhandlungen mit den großen, privaten Gläubigern Argentiniens über ein Entgegenkommen bei der Schuldenrückzahlung.

Argentinen erhält eine Atempause: In den kommenden drei Jahren muss das von einer anhaltenden Wirtschaftskrise gebeutelte Land lediglich einen Schuldendienst von 4,5 Milliarden US-Dollar aufbringen statt der in diesem Zeitraum eigentlich fälligen rund 41 Milliarden Dollar an Zins- und Tilgungszahlungen. Mit der Einigung gelingt es Argentinien auch, das Label der Zahlungsunfähigkeit wieder abzustreifen, das ihm die internationalen Ratingagenturen im März angeheftet hatten, nachdem es eine fällige Zinszahlung nicht geleistet hatte.

Neben der finanziellen Atempause eröffnet sich dem durch die Corona-Pandemie zusätzlich geschwächten Land wieder der Zugang zum internationalen Kreditmarkt. Letzteres ist nicht nur für den Staat wichtig, sondern vor allem für die privaten Unternehmen, um die eingebrochene Wirtschaft wieder anzukurbeln, sobald sich die Erwartungen für Investitionen wieder verbessern.

Bei der jetzt erzielten Übereinkunft geht es um den Umtausch von 21 alten Staatsanleihen im Wert von 66 Milliarden Dollar in zehn neue Anleihen verbunden mit einer Schuldenreduzierung. Mitte April hatte Wirtschaftsminister Martín Guzmán ein erstes Angebot vorgelegt, das einen Schuldenschnitt um 41,5 Milliarden Dollar sowie eine dreijährige Tilgungspause vorsah. Dreimal musste Guzmán das Angebot nachbessern, bis am vergangenen Wochenende mit den drei wichtigsten Gläubigergruppen der Durchbruch zur Einigung gelang.

»Die Vereinbarung ist ein gutes Ergebnis und ein Angebot, das alle Gläubiger annehmen sollten«, heißt es in einer Stellungnahme der Gläubiger, darunter auch der US-Investmentfonds Blackrock. Bis 24. August soll die Vereinbarung von der erforderlichen Mehrheit der Gläubiger unterzeichnet werden.

Blackrock hatte bis zuletzt eine weitere Nachbesserung des Regierungsangebots gefordert. Noch Anfang vergangener Woche drohte der weltgrößte Vermögensverwalter in einem Brief an Wirtschaftsminister Martín Guzmán mit dem Scheitern der Umschuldung. Man habe eine Mehrheit der Gläubiger zusammen, mit der jegliche Vereinbarung blockiert werden könne, heißt es darin. ›Blackrock Matter‹ karikierte gewohnt bissig die argentinische Tageszeitung »Página/12« das Gebaren des US-Investmentfonds, der mit rund 9 Milliarden Dollar Argentiniens größter privater Einzelgläubiger ist.

Mehrfach hatte Blackrock versucht, Wirtschaftsminister Guzmán zu umgehen. Der hatte stets die mit Fernández abgesprochenen Angebote vorgelegt, sich bei Gesprächen stoisch darauf bezogen und akribisch auf jede Kleinigkeit geachtet. Vor seiner Ernennung zum Wirtschaftsminister hatte der 37-Jährige an US-Universitäten über die Verschuldungsproblematik geforscht und gelehrt, und dabei sämtliche wichtige internationale Umschuldungsvereinbarungen analysiert. »Niemand hat Martín Guzmán mehr vertraut als ich«, bedankte sich der Mitte-links-Präsident bei seinem Wirtschaftsminister.

Unterstützung bekam Guzmán auch von seinem akademischen Ziehvater, Joseph Stiglitz. Der Wirtschaftsnobelpreisträger hatte die »widerspenstige Haltung« der Gläubiger angeprangert und gewarnt, dass eine »zu späte Umstrukturierung nur die Voraussetzungen für eine weitere Krise« schaffe. »Während die Covid-19-Pandemie tobt, müssen mehr als hundert Länder mit niedrigem und mittlerem Einkommen in diesem Jahr noch einen Schuldendienst in Höhe von insgesamt 130 Milliarden Dollar leisten - rund die Hälfte davon bei privaten Gläubigern«, schrieb er zusammen mit Hamid Rashid, dem Leiter der Abteilung für ökonomische Analyse und Politik der Uno. Da sich die wirtschaftlichen Aktivitäten und die Steuereinnahmen im freien Fall befänden, werde es bei vielen Ländern zum Zahlungsausfall kommen. Andere würde ihre knappen Ressourcen zusammenkratzen, um die Gläubiger auszuzahlen, und so dringend benötigte Gesundheits- und Sozialausgaben reduzieren. Kommentar Seite 8

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