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Berliner Linke macht sich krisenfest
Landesparteitag: Soziale Infrastruktur und öffentliche Daseinsvorsorge sollen für die Zukunft abgesichert werden
Am Eingang zum Veranstaltungssaal des Berliner Hotels Estrel grüßt von einem Plakat ein Rotarmist: »Auch Du hältst Abstand Genoss*in!« steht darauf. Die Berliner Linkspartei ist die erste Partei in der Stadt, die sich nach Ausbruch der Pandemie zu einem Landesparteitag trifft – dafür wurde ein Abstands- und Hygienekonzept entwickelt, nur am Platz dürfen die Delegierten und Gäste ihre Mund-Nasen-Masken abnehmen. Der Saal in Neukölln bietet auch entsprechend die Möglichkeit, die nötigen Abstände einzuhalten.
Überhaupt spielen die Auswirkungen der Coronakrise und ihre krassen sozialen Folgen einen wichtigen Schwerpunkt auf dem Parteitag, der zugleich auch Auftakt zu den Vorbereitungen für die Abgeordnetenhauswahlen im kommenden Jahr ist. »Es ist sehr schön, Euch alle live und in Farbe zu sehen«, erklärte Katina Schubert zu Beginn der Versammlung. Aus Sicht der Landesvorsitzenden verschärft die Coronakrise die sozialen Ungleichheiten. »Durch Corona haben auch alle gemerkt, wie wichtig ein funktionierendes Gesundheitswesen ist«, so Schubert. Angesichts der bevorstehenden massiven Verteilungskämpfe würden sich für die Linke und ihre Politik »Möglichkeitsfenster« eröffnen. Die Berliner Linke will die öffentliche Daseinsvorsorge stärken und sich für einen neuen »Green-New-Deal« einsetzen. »Wir müssen nichts weniger als den Kapitalismus an die Ketten legen – und dann überwinden«, sagte Schubert.
Vizesenatschef Klaus Lederer sprach in seiner Rede mit Blick auf das zurückliegende halbe Pandemiejahr von dem »intensivsten« seines Lebens. »Wir reagieren mit unseren Koalitionspartnern in einer Pandemie-Situation.« Rot-Rot-Grün sei seinem Anspruch in der Coronakrise gerecht geworden, etwas als es seine schnellen Soforthilfen aufgelegt habe. »Es braucht eine krisenfeste Daseinsvorsorge und eine Stärkung des Öffentlichen«, betonte Lederer, der auch Kultursenator Berlins ist.
Ein weiterer Schwerpunkt des Parteitags war der Ausblick auf die kommende Legislaturperiode. »Die wird nicht einfacher, die wird viel schwerer«, sagte der Bezirksbürgermeister von Pankow, Sören Benn. Er verwies als Herausforderungen auf die Notwendigkeit eines öffentlichen Beschäftigungssektors und den klimagerechten Umbau der Stadt. Auch Klaus Lederer verwies auf den »solidarisch-progressiven« Politikwechsel, den Rot-Rot-Grün erst begonnen habe. Durch die Coronakrise werden künftig auch die finanziellen Spielräume kleiner.
Wie argwöhnisch die stadtpolitischen Initiativen die Politik des rot-rot-grünen Senats beäugen, wurde bei der Rede von Rouzbeh Taheri deutlich, einem Vertreter der Initiative »Deutsche Wohnen & Co enteignen«. »Dass Erpressungen erfolgreich sind, wird mit dem Karstadt-Deal nicht aufhören«, kritisierte Taheri mit Blick auf den sogenannten Signa-Deal zum Hermannplatz in Neukölln. »Für uns steht der Kampf um Karstadt am Hermannplatz erst am Anfang. Wir akzeptieren diesen Deal nicht und werden ihn mit allen Mittel der Zivilgesellschaft bekämpfen«, betonte Taheri. Vizesenatschef Klaus Lederer sagte dazu, dass Rot-Rot-Grün sich beim Hermannplatz nicht an die Abmachungen mit dem Konzern gebunden fühlen wird, wenn es stimmen sollte, dass der Konzern die Kündigungsandrohungen für die Karstadt-Beschäftigten in Berlin nicht zurückgenommen hat.
Kontrovers diskutierten die 147 anwesenden Delegierten auch die Wahlaufstellung für die kommenden Abgeordnetenhauswahlen. Dem Parteitag lagen verschiedene Anträge für die Wahlaufstellung vor. Einerseits ging es um die Grundsatzfrage, ob die Linke mit einer Landes- oder einer Bezirksliste bei der Wahl antreten will. Aus dem Bezirksverband Neukölln lag diesbezüglich ein Antrag vor, Bezirkslisten aufzustellen. Der Landesvorstand hatte sich im Vorfeld dagegen klar für eine Landesliste ausgesprochen, bei der die Bezirke aber zwölf von 24 Plätzen mitbestimmen dürfen. Dagegen hatte der Bezirksverband Pankow einen Antrag eingebracht, der den Kompromissvorschlag des Landesvorstandes dahingehend verändern wollte, dass lediglich zwölf von 30 Plätzen durch die Bezirke mitbestimmt werden – immer vorausgesetzt, dass am Ende die Personalkommission sicherstellt, dass die Quotierungen eingehalten werden. Eine Entscheidung nach einer Debatte dazu wurde für den Nachmittag erwartet.
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