- Politik
- Alexander Lukaschenko
Warten auf Moskau
Der belarussische Präsident Alexander Lukaschenko kündigt einen Staatsbesuch in Russland an
Am Sonntag wurde der belarussische Präsident Alexander Lukaschenko 66. Doch ein schöner Tag war es für den seit 1994 regierenden Autokraten nicht, und zwar nicht nur, weil er seinen Geburtstag lieber am Tag danach feiert - am 31. August wurde nämlich sein Sohn Nikolaj geboren. Vielmehr sind es die Proteste gegen seinen fragwürdigen Wahlsieg, die an beiden vergangenen Sonntagen alleine in Minsk mehr als 100 000 versammelten. Diesmal haben die Telegram-Kanäle wie Nexta, die Aktionen der Opposition koordinieren, sogar extra dazu aufgerufen, »kreative handwerkliche Geschenke« mitzubringen.
Schon am Morgen haben die Sicherheitskräfte das Zentrum von Minsk besetzt. Auf dem Unabhängigkeitsplatz sammelten sich wie zuletzt üblich Polizeiwagen und Wasserwerfer. Trotzdem bewegten sich große Kolonnen der Demonstranten Richtung Innenstadt. Bereits am Vortag erlebte die belarussische Hauptstadt eine bemerkenswerte Aktion. Am Samstag fand nämlich ein oppositioneller Frauenmarsch statt, an dem Einschätzungen nichtstaatlicher Medien zufolge zwischen 10 000 und 15 000 Menschen teilnahmen. Die Idee der Kundgebung, die als »Parade der Friedenstruppen von Frauen« angekündigt wurde, war unter anderem, das Gewissen der Mitarbeiter von Sicherheitsbehörden anzusprechen. Die Frauen waren meist mit den weiß-rot-weißen Flaggen, der ersten Flagge der Republik Belarus, unterwegs und trugen Plakate wie etwa »Der Platz einer Frau ist am Grabstein der Diktatur«.
Die Sondereinsatzkräfte der belarussischen Polizei haben mehrmals versucht, die Aktion zu unterbrechen, was letztlich allerdings nicht gelang. Dennoch folgten vereinzelte Festnahmen, obwohl nicht im derart großen Ausmaß wie bei den kleineren Aktionen zwischen Mittwoch und Freitag - alleine am Donnerstag wurden rund 300 Menschen festgenommen. Selbst für belarussische Verhältnisse war dagegen neu, wie der Staat diese Woche mit den Journalisten ausländischer Medien umgegangen ist - meist mit den lokalen oder russischen Mitarbeitern, die nach allen Regeln akkreditiert waren. Das Außenministerium hat die Akkreditierung der Journalisten und Kamerateams etwa von BBC, Reuters oder der ARD entzogen. Die russischen Mitarbeiter haben dabei oft eine fünfjährige Einreisesperre für Belarus erhalten. Der unabhängige Belarussische Journalistenverband sprach von beispielloser Einschränkungen der Pressearbeit.
Doch damit nicht genug: Am Rande am Sonntag wurde nun Lukaschenkos Staatsbesuch nach Russland in den nächsten Tagen angekündigt, nachdem er mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin telefonierte. Dieser habe ihn auch zum Geburtstag gratuliert. Kurz zuvor hatte Putin ein großes Interview dem Staatsfernsehen gegeben, in dem er unter anderem davon sprach, eine Reserve an Sicherheitskräften geschaffen zu haben, die in Belarus zum Einsatz kommen könnte, sollte dort die Lage außer Kontrolle geraten. Besonders interessant war dabei, dass der Kremlchef nicht mehr über äußere Gefahren sprach, die zu einem solchen Einsatz führen könnte.
»Es ist nur dann möglich, wenn extremistische Elemente bestimmte Grenzen überqueren. Wenn sie mit Raub beginnen oder versuchen, Verwaltungsgebäude zu beschlagnahmen«, meinte Putin. Die Staatsmedien in Belarus stempeln schon längst die Proteste als nationalistisch und zum Teil extremistisch ab. Außerdem verkündete Lukaschenko die Einigung zwischen Minsk und Moskau in Sachen der Refinanzierung eines Kredits in Höhe von einer Milliarde US-Dollar an Belarus.
Während sich Moskau am Anfang der Proteste weigerte, deutlich auf der Seite von Lukaschenko zu positionieren, hat es anscheinend eine Kehrtwende gegeben. Der belarussische Präsident selbst hat die Armee in Alarmbereitschaft versetzt - auch weil die NATO nach seinen Informationen amerikanische Flugzeuge F-16 an die Grenze gebracht haben soll. »Sie waren früher um Berlin stationiert, das war kein Problem. Sie haben die aber hierher gebracht, die Flugzeuge bräuchten 15 bis 20 Minuten, bis sie uns erreichen«, sagte Lukaschenko. Außerdem will er auf die EU-Sanktionen mit eigenen Sanktionen antworten. Eine Möglichkeit sei laut Lukaschenko, die Nutzung litauischer Häfen für den Transport von belarussischen Waren aufzugeben und den Transit der Waren aus dem Westen einzustellen.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.