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Berlin-Schönefeld reloaded
Der einstige Airport der DDR-Hauptstadt macht erst mal weiter - nunmehr als »Flughafen BER - Terminal 5«
»BER Terminal 5«. Seit Wochen prangt der neue Schriftzug über dem Hauptgebäude des Flughafens Berlin-Schönefeld, das im Grunde als »Neue Passagierabfertigung« (NPA) bereits 1976 eingeweiht wurde. Mit Blick auf die offizielle Übernahme in die Struktur des neuen Hauptstadtairports BER am Sonntagnachmittag hat sich die Flughafengesellschaft Berlin-Brandenburg mächtig ins Zeug gelegt, um den alten Abfertigungskomplex mit moderner Sicherheitstechnik und zeitgemäßem Komfort für Fluggäste und Besucher fit für die Zukunft zu machen. Flughafenchef Engelbert Lütke Daldrup hat angesichts der komplizierten Situation wegen der Coronakrise einen eher bescheidenen feierlichen Akt gemeinsam mit Vertretern der Gemeinde angekündigt.
Der Flughafenbetrieb läuft indessen weiter, wenn auch pandemiebedingt auf niedrigem Niveau. Im Monat September sind in Schönefeld nur 213 412 Passagiere abgefertigt worden, fast vier Fünftel weniger als ein Jahr zuvor, von Januar bis September insgesamt rund 2,6 Millionen. Im gesamten Rekordjahr 2018 hatte man es auf unglaubliche 12,7 Millionen Fluggäste gebracht. Mit der Umbenennung startet das Unternehmen die Choreographie der BER-Inbetriebnahme, die in der Eröffnung am 31. Oktober gipfelt und mit der Schließung von Tegel am 8. November endet. Mit dem am Sonntag in Kraft getretenen Winterflugplan 2020/2021 erlischt zugleich der Code SXF der Internationalen Luftverkehrsvereinigung (IATA) für Schönefeld, denn fortan gilt für den gesamten Flughafenstandort Berlin der neue Code BER.
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Mangel an Infrastruktur, Charme, Größe
Der Flughafen Berlin-Schönefeld vermoch᠆te allen in den 70er und 80er Jahren vorgenommenen Modernisierungen zum Trotz in der DDR weder als Vorzeigeairport einer bedeutenden Industrienation noch als Visitenkarte ihrer Hauptstadt zu überzeugen. Es fehlte ihm an moderner Infrastruktur, Charme und Größe - ein Beleg für die beschränkten wirtschaftlichen Ressourcen der DDR, denn geplant war ursprünglich ein internationaler Großflughafen von gesamtdeutscher Bedeutung. 1960 hatte die Partei- und Staatsführung einen Generalplan zur Erweiterung zum »Zentralflughafen Berlin-Schönefeld« beschlossen, dessen Planungen bis 1980 mit 3,5 Millionen Passagieren für Schönefeld und rund 14 Millionen für ganz Berlin rechneten.
Bevor zwischen den Gemeinden Schönefeld und Diepensee südlich Berlins der Luftverkehr Einzug hielt, hatten 1934 die Henschel-Flugzeugwerke das Areal erworben. Der Rüstungsbetrieb baute vor Ort bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges 14 000 Flugzeuge, unterhielt dafür einen Werksflugplatz. Am 22. April 1945 eroberte die Rote Armee das Gelände und stationierte dort Transportflieger. 1947 ordnete die Sowjetische Militäradministration (SMAD) den Aufbau eines zivilen Flughafens an, der zunächst von der eigenen Fluglinie Aeroflot angeflogen wurde und ab 1955 auch von der damaligen DDR-Lufthansa mitgenutzt werden konnte. Um die volle Kontrolle über den Platz zu erhalten, baute die DDR der Sowjetarmee als Ersatz in Sperenberg einen neuen Flugplatz. Damit konnte die gesamte Anlage genutzt und der Zentralflughafen Berlin-Schönefeld, wie er lange hieß, zum wichtigsten Flughafen des Landes und zur Heimatbasis der Fluggesellschaft Interflug ausgebaut werden.
Da selbst die »Neue Passagierabfertigung« schnell zu klein war, musste die Kapazität 1985 durch einen Erweiterungsbau aufgestockt werden. Denn das Passagieraufkommen hatte sich von 521 090 im Jahr 1965 auf 1,6 Millionen 1975 erhöht. Im Wendejahr 1989 erreichte Schönefeld mit 2 898 148 Passagieren seine höchste Auslastung.
Als nach 1990 ein Standort für einen neuen Großflughafen im Raum Berlin gesucht wurde, fiel im November 1994 in der »Landesplanerischen Beurteilung« Schönefeld als ungeeignet durch. Dennoch entschieden sich die Länder Berlin und Brandenburg sowie der Bund im »Konsensbeschluss« von 1996 gegen alle Widerstände für Schönefeld. Ein Singleairport, der die Schließung der bisherigen Berliner Flughäfen Tempelhof und Tegel gesetzlich vorschrieb. Der alte Schönefelder Flughafen sollte bis 2025 dem Bau eines Regierungsterminals auf dem Gelände des BER weichen. Dieses Vorhaben wurde gekippt, weil unter anderem die Abfertigungskapazität des Terminals länger als geplant benötigt wird. Nun soll für die Regierung bis 2035 gebaut werden.
Im nd-Gespräch kündigte der Flughafenchef an: »Der Flughafen Schönefeld wird Teil des BER-Campus.« Ob es bei den zuletzt dafür angesetzten zehn Jahren bleibt, ist noch nicht ausgemacht. Wie lange Schönefeld als Terminal 5 am BER betrieben werde, hänge von verschiedenen Faktoren ab - vor allem von der Fluggastentwicklung und dem Bedarf an einem weiteren Fluggastterminal.
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