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Ein Counterpart

Von X-Säulen, Klinken und Röhren: Die Rosa-Luxemburg-Stiftung hat in Berlin ihr erstes eigenes Haus

Am Mittwoch eröffnete die Rosa-Luxemburg-Stiftung (RLS) in Berlin-Friedrichshain ihr neues Gebäude. Es liegt gegenüber vom Ostbahnhof in der Straße der Pariser Kommune 8a. Es hat eine rote Fassade und 599 Fenster. Sie sind ebenfalls außen rot (mit rotem Aluminiumpulver beschichtet), innen sind sie Fichte-Natur, erläuterte Axel Krumrey, der Baukoordinator der Stiftung, bei einem Rundgang. Die vielen Fenster machen das Haus innen sehr hell.

Rosa Luxemburg wollte so schreiben, dass sie »wie ein Blitz auf die Menschen« wirke, formulierte sie 1899. Das RLS-Haus wirkt nicht wie ein Blitz, sondern wie ein moderner Funktionsbau mit acht Stockwerken. Trotzdem macht es auf sich aufmerksam: Es hat 18 Stützen in Form des Buchstaben »X«, die vor den Fenstern der Bibliothek im ersten Stock zu sehen sind. Das X bietet sich an, bei der Namensgeberin, logisch. Wer hat schon einen Namen mit »X«? Kann man sich aber auch als Gebäude gut merken, denn wer hat schon ein Haus mit X-Stützen? Sie sind mit Drahtseilen verspannt und verbinden das Erdgeschoss, in dem Veranstaltungen mit bis zu 300 Besuchern stattfinden können, mit den Büroräumen, die im zweiten Stock beginnen. Gewissermaßen verknüpfen sie die »Basis mit dem Überbau«, sagte Dagmar Enkelmann, die Vorstandsvorsitzende der Stiftung, zur Eröffnung. Man könnte auch sagen, sie stünden dafür, »dass wir uns kein X für ein U vormachen lassen«. Die X-Stützen waren eine Idee der Architekten Max Julius Nalleweg, Kyung-Ae Kim und Trujillo Moya und laut Enkelmann auch ein Argument, dass sie die Ausschreibung für dieses Haus gewannen.

Wäre es nach den Gewinnern des Kalten Krieges gegangen, dann wäre die RLS aus dem politischen Leben ausgeixt worden, samt der Partei, der sie nahe stand: der PDS, der Vorläuferorganisation der Linkspartei. Denn wer aus dem Osten war, sollte sich ganz hinten anstellen, lautete die Parole in Westdeutschland, nachdem es sich Ostdeutschland völlig humorlos einverleibt hatte. Insofern ist es auch ein sehr später Triumph, dass die RLS dieses Haus jetzt in der Hauptstadt eröffnet. Es ist ihr erstes eigenes überhaupt - 30 Jahre nach ihrer Gründung als Verein. Erst 2003 wurde sie den anderen Stiftungen der im Bundestag vertretenen Parteien gleichgestellt und bekam Mittel aus dem Bundesetat. 2014 gab es dann endlich einen Bundestagsbeschluss, dass die Rosa-Luxemburg-Stiftung sich ein Haus bauen soll.

Es zu errichten kostete 24,7 Millionen Euro, geplant waren 20,4 Millionen, aber diese Preissteigerung sei normal für das Berliner Baugeschäft, sagte Daniela Trochowski, Geschäftsführerin der Stiftung. Für sie ist das RLS-Haus »ein Counterpart zu den anderen Gebäuden in der Nachbarschaft«, die Stiftung sei das einzige nichtkommerzielle Unternehmen vor Ort. Am Tag der Eröffnung wurde ein 18 Meter langes Banner an der Fassade heruntergelassen, mit der Aufschrift »Keine WARE STADT«.

Das Haus befindet sich auf dem Areal des früheren Postbahnhofs. Da, wo es jetzt steht, war früher ein Zweckbau aus den 60er Jahren, der Postzeitungsvertrieb Ostberlins. Ende der 90er Jahre eröffnete darin »Maria am Ostbahnhof«, damals der beste Club der Stadt für alle Arten von Independent- und Untergrundmusik. Heute wollen ein paar Mitarbeiter der RLS auf dem Dach Bienenvölker züchten. Weil der Ist-Zustand von 2014 zählt, ist das fertige Haus zu klein für alle Mitarbeiter geraten. 2014 waren es 150, die auch im neuen Haus Platz finden, doch seitdem sind weitere 100 hinzugekommen. Deshalb bleiben die internationalen Abteilungen der RLS weiterhin im FMP1, dem nd-Gebäude, wo die Stiftung bislang untergebracht war. Entfernung zu Fuß: fünf Minuten.

Die Pressekonferenz zur Eröffnung fand in der Bibliothek statt, in der künftig auch kleinere Lesungen und Seminare veranstaltet werden sollen. Sieht ganz gemütlich aus, nicht so kühl und ikea-funktional wie zum Beispiel das »Grüne Gedächtnis«, die Bibliothek des Archivs der grünen-nahen Heinrich-Böll-Stiftung, die sich in Berlin-Prenzlauer-Berg befindet. Am Mittwoch waren die Regale noch recht leer. Bücher von Leo Trotzki und Gustav Landauer waren schon da - von insgesamt 30 000 Medieneinheiten, darunter 1500 Zeitschriften und mehrere Archive und Nachlässe.

Auf symbolische Weise sei das Haus mit anderen politischen Bewegungen und Institutionen verbunden, erklärte Dagmar Enkelmann und zwar durch den Austausch von Türklinken: 40 Klinken aus aller Welt seien im Haus zu finden, getauscht beispielsweise mit der Bewegung der Landlosen in Sao Paulo, mit den Linken in Montevideo oder mit der Gedenkstätte Liliesleaf in Johannesburg, wo sich Anfang der 60er Jahre die Führung des ANC versteckte. »Diese Klinke hat sehr wahrscheinlich Nelson Mandela in der Hand gehabt«, versicherte Enkelmann, holte eine Klinke aus einer Schachtel und hielt sie hoch. Es gibt übrigens auch eine aus der Thüringer Staatskanzlei.

Weil der Bundestag den Bau beschlossen hat, gelten architektonische Richtlinien wie für eine Bundesbehörde. So sei es vorgeschrieben, dass die Spitze des Hauses in der obersten Etage sitzen soll, sagte Baukoordinator Krumrey. Trochowski wies darauf hin, dass das Gebäude nach dem »Bewertungssystem Nachhaltiges Bauen« errichtet worden sei, angestrebt werde »eine Bewertung in Silber«, mehr sei bei einem solchen Neubau kaum möglich. Krumrey bemerkte, dass er dabei neue Wörter gelernt hätte, zum Beispiel »BKA«. Das meint »Betonkernaktivierung«, die thermische Regulierung durch Gebäudemassen. Im RLS-Haus stecken Lüftung und Heizung in der Decke, durch die 26 Grad heißes Wasser strömt. Falls es doch noch so etwas wie Winter geben sollte, dann gibt es an der Außenwand Rinnen für Schmelzwasser und auch eine Heizung, damit die Rinnen nicht zufrieren.

Doch die meiste Zeit des Jahres kann man bestimmt auf eine der zwei großen Terrassen an den Längsseiten der Bibliothek gehen. Man könnte da Empfänge geben oder Partys feiern, so groß sind sie. Die Musik müsste nur laut genug aufgedreht werden, denn draußen sind die Züge des Ostbahnhofs unüberhörbar, dessen Viadukt auf der Höhe des ersten Stocks liegt. Drinnen sind sie nicht zu bemerken - mit 74 Dezibel in der Dämmung weggedimmt.

Und wenn man in den Fluren an die Decke blickt, sieht man Rohre, die nicht verkleidet wurden. Ein dezenter Hinweis auf die Arbeiterklasse und ihre Arbeit? Ein anderer Hauseigentümer als die RLS hätte sie hinter der Decke versteckt, ist sich Krumrey sicher.

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