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Hygienekonzepte für die Schublade
Der organisierte Sport bleibt pandemiebedingt geschlossen. Dabei zeigten die Vereine viel Flexibilität.
Marco Baldi fällt etwas aus dem Rahmen. Ist derzeit von Managern im Spitzensport zu lesen, dann fast nur ihre Beschwerden, Sorgen und Warnungen vor Insolvenzen oder gar dem Tod ganzer Sportarten. So etwas hört man von Baldi höchstens mal versteckt in Nebensätzen. Auch der Geschäftsführer des deutschen Basketballmeisters Alba Berlin hat Hygienekonzepte erstellt und Sondergenehmigungen beantragt. Vieles davon bleibt in den politischen Entscheidungsprozessen derzeit unbeachtet. Aber Baldi erträgt das leise. Kein offener Brief, keine Lobbyarbeit in Hinterzimmern. Stattdessen: »vollstes Verständnis«. Und: »Jeder darf und muss darum kämpfen, dass er seinen Laden am Laufen hält, aber wir müssen im Blick behalten, dass der ganz große Laden auch weiterläuft. Am Ende hängen wir alle davon ab.«
Die letzten Entscheidungen kamen aus am Mittwochabend dem Bundeskanzleramt und tags darauf vom Berliner Senat. Einen Monat lang trägt Alba schon vor leeren Rängen seine Heimspiele in der Arena am Ostbahnhof aus. Ein weiterer Monat wurde nun beschlossen. Dabei liegt ein Konzept für die Zulassung von 7000 Menschen vor. Die anderen Hallensportvereine in Deutschland haben Ähnliches entwickelt, doch umsetzen darf die Konzepte niemand. So entstehen Kosten, aber Einnahmen aus Ticketing und Catering fallen aus. »Man kann sich über viel aufregen oder sich nicht beachtet fühlen«, sagt Baldi, der am Donnerstagabend beim 100:80-Erfolg seiner Basketballer in der Euroleague gegen das Starensemble von Chimki Moskau den Jubel der Fans besonders vermisst haben dürfte. »Aber wenn man die Gastronomie schließt und private Besuche einschränkt, kann ich schon verstehen, dass man auch im Sport etwas grobschlächtiger vorgeht. Die Zeit wird kommen, in der differenzierter vorgegangen wird. Jetzt brauchen wir eine Haltung, die die gesamte Situation ernst nimmt. Das ist das Gebot der Stunde.«
Eugen Benzel fällt die Zurückhaltung schwerer. Der Manager des SC Potsdam saß mehr als drei Monate lang am Hygienekonzept für die Arena am Luftschiffhafen. Eine Zeitlang kam es vor dem Lockdown zum Einsatz: »Die Leute haben sich super dran gehalten.« Doch die damals möglichen 833 Zuschauer dürfen jetzt auch nicht mehr kommen. »Das ist sehr frustrierend«, sagt Benzel.
Auf bis zu 9000 Euro schätzte er den Einnahmeausfall allein beim Europapokalspiel seiner Volleyballerinnen am Mittwochabend gegen Hapoel Kfar Saba. Viel Geld für einen Verein wie den SC Potsdam. Besonders ärgerlich: Noch wurde keine Sportveranstaltung mit Hygienekonzept als Hotspot identifiziert. Das gilt auch im Amateursport. Studien bestätigten, dass die Gefahren niedrig sind. Doch Einfluss auf die Politik der Bundesregierung hatten sie bislang nicht.
Andre Hahn ärgert das. »Wir brauchen endlich einen Sportgipfel«, forderte der sportpolitische Sprecher der Linksfraktion im Bundestag. »Die Kanzlerin trifft sich mit der Auto-Lobby - für den organisierten Sport mit 27 Millionen Mitgliedern findet sie offenkundig keine Zeit.« Besonders das fast komplette Verbot des Breitensports findet Hahn »völlig unangemessen«, zumal die Vereine »gute Hygienekonzepte entwickelt« hätten.
Auch Alba Berlin und der SC Potsdam machen weit mehr als Profisport. Über das Programm »Alba macht Schule« betreibt der Hauptstadtklub Jugendarbeit in Bildungseinrichtungen. »Wir haben fast 120 Trainerinnen und Trainer«, berichtet Marco Baldi. »Doch an jeder Kita und jeder Schule wird das unterschiedlich gehandhabt. Manche machen den Sport normal, manche nur draußen, andere sagen ihn ab. Also machen wir die Pausengestaltung, damit die Kinder beim Sport und unsere Trainer in Arbeit bleiben.«
Der SC Potsdam betreibt unter anderem Jugendclubs, Fitness-Center für Frauen, eine Schwimmschule und Rehasport. Fast 20 Hygienekonzepte wurden erarbeitet, doch vieles bleibt gerade geschlossen. Immerhin wurde der Verein von Kommune und Land finanziell unterstützt, so dass zumindest das Europapokalspiel stattfinden konnte. Auch Marco Baldi sagt: »Ohne die Staatshilfen wäre es schon zappenduster. Und ohne weitere Hilfen wird man es nicht lange aufrecht erhalten können.« Wie lange genau, weiß keiner.
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