Widerstand hinter Gittern

In Hongkong drohen Joshua Wong, Nathan Law und Agnes Chow fünf Jahre Haft

  • Fabian Kretschmer, Peking
  • Lesedauer: 3 Min.
Im November ordnete ein Gericht an, dass sich Agnes Chow, Ivan Lam und Joshua Wong bis zur Urteilsverkündung in Haft begeben müssen.
Im November ordnete ein Gericht an, dass sich Agnes Chow, Ivan Lam und Joshua Wong bis zur Urteilsverkündung in Haft begeben müssen.

Für Joshua Wong ist die Gefängniszelle ein ständiger Begleiter, seit er als Aktivist gegen Chinas Staatsführung kämpft. Zum dritten Mal sitzt der 24-Jährige nun ein. Dieser Tage jedoch wurde gegen den Hongkonger Einzelhaft verhängt - eine traumatische Erfahrung, wie das führende Gesicht der Demokratiebewegung in einem offenen Brief schildert: »Ich werde behandelt wie ein Dissident in China«, schreibt Wong. Das Licht in der Zelle bleibe rund um die Uhr eingeschaltet, nur 15 Minuten Hofgang wird ihm täglich zugestanden.

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Wong muss sich genau wie seine Mitstreiter Nathan Law, Agnes Chow und Ivan Lam wohl auf eine sehr lange Zeit hinter Gittern einstellen. Am Mittwoch entscheidet nämlich ein Hongkonger Gericht über ihren Fall. Der Vorwurf wäre in demokratischen Staaten nichts weniger als eine Lappalie: Die drei Mittzwanziger sollen im Juni eine nicht-autorisierte Versammlung vor Hongkongs Polizeipräsidium organisiert haben. Eine Verurteilung gilt dennoch als absolut wahrscheinlich, es drohen fünf Jahre Haft. Es wäre ein weiterer Rückschlag für die Hongkonger Protestbewegung, Wong, Law und Chow sind populäre Vertreter des demokratischen Lagers, auch wenn die Bewegung im vergangenen Jahr bewusst führerlos agierte.

Ein Blick zurück: Vor genau einem Jahr besetzten Hunderte Aktivisten die Polytechnische Universität und lieferten sich Straßenschlachten mit der Polizei. Damals genoss die Protestbewegung in der ehemaligen britischen Kolonie nicht nur breite Unterstützung durch die Bevölkerung, sondern gab auch Hoffnung, gesellschaftlichen Wandel herbeizuführen. Das Blatt hat sich aber gewendet.

Mit dem Ausbruch der Corona-Pandemie kamen zunächst die allsamstäglichen Demonstrationen in Hongkong zum Erliegen. Im Juni zwang Chinas Staatsführung den Hongkongern ein nationales Sicherheitsgesetz auf, das politische Opposition de facto unter Gefängnisstrafe stellte - gegebenenfalls unter dem Rechtssystem Festlandchinas. Seither wurden Dutzende Aktivisten festgenommen, Bibliotheken von kritischen Büchern gesäubert und mehreren Abgeordneten ihr Mandat entzogen, woraufhin die Parlamentsopposition aus Protest gesammelt zurückgetreten ist. Viele junge Hongkonger haben sich ins Private zurückgezogen, Aktivisten bemühen sich um Migration ins Ausland.

Vor allem die gesellschaftliche Stimmung ist innerhalb der Zivilgesellschaft von Euphorie in Resignation umgeschlagen. Die Polizeibehörden haben etwa vor kurzem eine Telefonhotline eingerichtet, mit der Bürger Vergehen gegen das nationale Sicherheitsgesetz melden können - eine Taktik, die Paranoia innerhalb der Bevölkerung verbreitet.

Joshua Wong schreibt in seinem Gefängnisbrief, dass Peking sich »nach der Absetzung von Abgeordneten und der Verhaftung von Aktivisten als nächstes das Bildungssystem vornehmen« wird. Tatsächlich hat die Lokalregierung im Herbst bereits zwei Lehrer abgesetzt, die »nicht-regierungskonforme Inhalte« im Unterricht durchgenommen haben. »In einem Fall ging es ironischerweise um Redefreiheit«, schreibt Wong. Diese ist in Hongkong längst nicht mehr gegeben. Wer grundsätzliche Kritik am System äußert, muss mit einer Verhaftung rechnen.

Zumindest nach außen hin gibt sich Joshua Wong jedoch nicht geschlagen: »Lassen sie sich nicht täuschen, meine Inhaftierung ist nicht das Ende der Hongkonger Demokratiebewegung«, schreibt er aus seiner Zelle: »Ich kämpfe im Gefängnis zusammen mit anderen verurteilten Aktivisten - viel weniger sichtbar, aber trotzdem wesentlich im Kampf für Demokratie und Freiheit in Hongkong.«

Schon zu früher Jugend hatte der damalige Schüleraktivist bewiesen, dass er es auch mit staatlichen Autoritäten aufnehmen kann. Vor knapp zehn Jahren bereits hielt er Reden und mobilisierte Zehntausende auf die Straße, weswegen die Regierung Hongkongs 2012 ihre Pläne für das umstrittene Schulfach »Moralische und nationale Erziehung« einstellte; zwei Jahre später führte er erstmals eine Demonstrationsbewegung für mehr politische Teilnahme an.

Möglicherweise könnte ausgerechnet die Corona-Pandemie, die maßgeblich zum Verstummen der Protestbewegung im Frühjahr gesorgt hat, nun zu einem erneuten Wendepunkt führen. Wenn nämlich ein Impfstoff die Infektionsgefahr bannen sollte, dürften auch die Aktivisten wieder auf Hongkongs Straße ziehen - vielleicht zum letzten Mal.

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