Großstadttheater

Das Berliner Theatertreffen zeigt in der Auswahl einen engen Blick

  • Jakob Hayner
  • Lesedauer: 2 Min.

Am gestrigen Dienstag gab die Jury des Berliner Theatertreffens bekannt, was sie für die zehn bemerkenswertesten Inszenierungen des Jahres hält. Es sind vor allem Produktionen von Großstadttheatern. Aus dem Osten, Berlin einmal vernachlässigt, hat es nur Cottbus mit Jo Fabians sehr beeindruckender Abschiedsinszenierung »Antifaust« ins Blickfeld, aber nicht in die Auswahl geschafft. Ebenso erging es den Ruhrpottstädten Dortmund, Mülheim und Bochum. Claudia Bauers Leipziger »Meister und Margarita« wurde, völlig unverständlich, nicht einmal für die Diskussion berücksichtigt. Stattdessen nur Berlin, München, Zürich, Wien, Hamburg. Es mag auch dem Seuchenjahr geschuldet sein, dass weniger kleine Häuser auf sich aufmerksam machen konnten. Immerhin sichtete die Jury ein Drittel weniger Produktionen als im Jahr zuvor. Die Großproduktionen der inzwischen institutionalisierten »freien Szene« werden seit Jahren berücksichtigt, so wie Gob Squad dieses Jahr. Eine wirkliche Überraschung war die junge Regisseurin Marie Schleef mit einer Feminismusperformance im Ballhaus Ost.

Dass es Rainald Goetz’ müdes 9/11-Stück »Reich des Todes« in die Auswahl geschafft hat, kann man allerdings mit einem Newcomer-Bonus kaum erklären. Anne Lenks »Maria Stuart« ist hingegen einfach sehr gutes Theater, ohne unbedingt neue Maßstäbe zu setzen. Das kann man über Sebastian Hartmanns »Der Zauberberg« durchaus behaupten, der aus einer Masse von gestreamten Aufführungen herausragte. Beide Produktionen sind vom Deutschen Theater Berlin und wurden im »nd« besprochen. Neben der Auswahl gab die Jury bekannt, dass die Frauenquote für die Regieposition bis 2023 verlängert wird. Der Blick für die Förderung von Frauen und von freien Gruppen ist sehr löblich, doch zeigt die diesjährige Auswahl auch, dass fast nur Inszenierungen aus Großstädten, die urbane Diskurse und Ästhetiken bedienen, als bemerkenswert betrachtet werden. Neue Dramatik spielt kaum eine Rolle. Darin zeigt sich ein verengter Blick. Wann und wie das Theatertreffen stattfindet, ist noch unklar.

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