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Vatikan lässt Woelki in Ruhe

Kirchenrechtler spricht von »Willkürjustiz«

Obwohl der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki mutmaßliche Sexualstraftaten eines ihm unterstellten Geistlichen nicht nach Rom meldete, will der Vatikan offenbar keine kirchenrechtlichen Schritte gegen ihn unternehmen. Das berichteten katholische Medien am Montag. Begründet wird das von der römischen Kurienbehörde demnach damit, dass eine solche Meldung über den Verdacht eines Missbrauchsfalls 2015 nach damals geltendem Recht noch nicht zwingend vorgeschrieben gewesen sei. Eine Meldepflicht gebe es erst seit dem vergangenen Jahr. Eine entsprechende Einschätzung sei vergangene Woche an die Bischofskongregation gegangen, die um eine Beurteilung gebeten hatte.

Woelki wird vorgeworfen, dass er den Fall des Priesters O. nach seinem Amtsantritt in Köln zwar zur Kenntnis genommen, eine kirchenrechtliche Voruntersuchung und eine Meldung nach Rom aber unterlassen habe. O. soll sich an einem Jungen im Kindergartenalter vergangen haben. Der Kardinal hatte sein Nichthandeln mit der damals schon weit fortgeschrittenen Demenz von O. begründet, die eine Befragung unmöglich gemacht habe. Außerdem habe sich das mutmaßliche Opfer nicht an der Aufklärung beteiligen wollen.

Den Vatikan hatte der Kardinal nach wachsender öffentlicher Kritik an seinem Verhalten selbst um Prüfung der Sache gebeten. Da ihm selbst kein Missbrauch vorgeworfen wird, sondern »falscher Umgang« mit einem Verdachtsfall, ist die Bischofskongregation zuständig. Wann sie ihre Entscheidung mitteilt, ist offen.

Der Münsteraner Theologe Thomas Schüller kritisierte die Einschätzung aus dem Vatikan als »kirchenrechtlich nicht vertretbar«. Die Glaubenskongregation ignoriere auf groteske Weise die im Jahr 2010 von Papst Benedikt XVI. festgelegten Rechtsnormen zum Umgang mit sexuellem Missbrauch, sagte er dem »Kölner Stadt-Anzeiger« (Dienstag). Um Woelki zu »retten«, werde die Gesetzgebung des früheren Papstes ad absurdum geführt, erklärte der Kirchenrechtler. Das sei »Willkürjustiz«. Die Organisation »Wir sind Kirche« forderte in der »Rheinischen Post« die Veröffentlichung der genauen Begründung des Vatikans. Möglicherweise habe Rom sehr lange nach einem Weg gesucht, Woelki zu schonen, weil ihn konservative Kräfte dort »als unverzichtbareren Bremser« in der Reformdebatte Synodaler Weg unbedingt hätten halten wollten. Schüller forderte gegenüber der »Rheinischen Post«, angesichts der Unfähigkeit der katholischen Kirche zur Aufarbeitung der Missbrauchsfälle seien unabhängige staatliche Untersuchungen das »Gebot der Stunde« .

Unterdessen berichtete »Bild« am Dienstag, das Erzbistum Köln habe einen des Kindesmissbrauchs verdächtigen Priester erst mit vierjähriger Verzögerung bei der Staatsanwaltschaft angezeigt. Der mittlerweile verstorbene Josef M. gestand demnach 2014 der Personalabteilung des Erzbistums, zwischen 1971 und 1996 Kinder und Jugendliche beiderlei Geschlechts missbraucht zu haben. 2017 habe er die Verbrechen erneut gestanden. Doch erst 2018 habe ein Rechtsanwalt aus dem Beraterstab von Kardinal Woelki Strafanzeige gegen M. erstattet. Eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft Düsseldorf bestätigte am Dienstag, dass das Erzbistum in dem Fall Anzeige erstattet hat. Die Taten, um die es gegangen sei, hätten sich mutmaßlich zwischen 1982 und 1988 abgespielt und seien damit schon 1993 verjährt gewesen.

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