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Streit um linke Außenpolitik
Die Debatte über Einsätze der Bundeswehr und den Umgang mit Russland ist in vollem Gange
Die Linke ist eine debattierfreudige Partei. Ihre Bundesparteitage sind geprägt von Reden und Gegenreden, am Saalmikrofon bilden sich nicht selten lange Schlangen. Es herrscht eine emotionale Stimmung. Nun ist alles anders. Wegen der Corona-Pandemie wird der Parteitag am Freitag und Samstag im Internet übertragen. Das birgt natürlich eine Reihe von Problemen. Bei anderen Parteien wie den Grünen konnte man in den vergangenen Monaten beobachten, wie technische Aussetzer die angedachte Tagesordnung durcheinanderwirbeln können.
Trotz allem soll bei der Veranstaltung nicht nur ein neuer Vorstand gewählt, sondern auch über Inhalte diskutiert werden. Die Parteispitze hat einen Leitantrag vorgelegt, der ein Rundumschlag ist. Es geht um die Wirtschaftskrise, die Klimakrise, die Coronakrise und die Überwindung dieser Krisen. Helfen sollen höhere Löhne, mehr Umverteilung sowie Investitionen in den Gesundheitssektor und eine ökologischere Energiegewinnung. All das ist unstrittig in der Partei.
Trotzdem brodelt es wieder einmal intern. Dabei geht es um die Frage, wie regierungstauglich sich die Linkspartei vor der Bundestagswahl im Herbst dieses Jahres präsentiert. Der Bundestagsabgeordnete Matthias Höhn hatte vor einigen Wochen ein Papier veröffentlicht, in dem er sich für eine generelle Bereitschaft zu Blauhelmeinsätzen der Vereinten Nationen ausspricht. Im Parteivorstand wurde dieses Ansinnen zwar zurückgewiesen, aber Höhn hat eine Debatte entfacht, die auf jeden Fall weitergehen wird. Dieser Tage forderte der SPD-Vorsitzende Norbert Walter-Borjans die Linkspartei dazu auf, ihr Nein zu Auslandseinsätzen der Bundeswehr zu revidieren, wenn sie im Bund mitregieren wolle. »Deutschland hat sich einer eng ausgelegten Beteiligung an UN-Mandaten nicht verweigert und darf das auch künftig nicht tun«, sagte Walter-Borjans dem »Tagesspiegel«. »Die Linke muss selbst entscheiden, ob sie Bedingungen definiert, die sie entweder nicht einhalten kann oder die ihr die Regierungsfähigkeit mit jedwedem Partner verbauen.«
Bisher hatte die Linkspartei von ihren potenziellen Bündnispartner SPD und Grüne verlangt, ihr in der Außenpolitik entgegenzukommen. Die Aussage von Walter-Borjans zeigt, dass die Linke dabei nicht einmal auf die Mehrheit des linken Flügels bei den Sozialdemokraten hoffen kann, dem der SPD-Vorsitzende angehört.
In der künftigen Spitze der Linken gibt es zur Außenpolitik offensichtlich keine einhellige Meinung. Die hessische Fraktionsvorsitzende Janine Wissler, die für die Doppelspitze im Bund kandidiert, hat in Interviews zuletzt ihre strikte Ablehnung von Auslandseinsätzen der Bundeswehr bekräftigt. Offener zeigte sich ihre Thüringer Amtskollegin Susanne Hennig-Wellsow, die ebenfalls für die Bundesspitze kandidiert. Sie sagte dem »Tagesspiegel«: »Ich kann mir bestimmte klassische Blauhelmeinsätze vorstellen, wie in Zypern beispielsweise.« Solche Einsätze müsse man sich »im Einzelfall anschauen«. Hennig-Wellsow warb dafür, dass die Linkspartei das Regieren als Chance betrachtet. »Die Linke muss ein klares Bekenntnis zur Verantwortung abgeben.«
Im Leitantrag des Linke-Vorstandes für den Parteitag heißt es, dass die Linke dafür eintrete, »alle Auslandseinsätze der Bundeswehr zu beenden«. Zudem verspricht die Parteispitze, sich nicht an einer Regierung zu beteiligen, »die Aufrüstung und Militarisierung vorantreibt, die Kriege führt oder Kampfeinsätze der Bundeswehr im Ausland zulässt«. Allerdings endet linke Außenpolitik nicht bei der Frage, ob der Einsatz von Militär in Einzelfällen ein Mittel der Politik sein kann. Mindestens ebenso wichtig ist die Haltung der Partei zu deutschen Rüstungsexporten und zu Staaten, die autokratisch regiert werden und geostrategische Konkurrenten westlicher Länder sind. Dabei geht es auch um die Frage, wie die Linkspartei es mit der Regierung in Russland hält.
Der russische Präsident Wladimir Putin wird im Linke-Leitantrag in eine Reihe gestellt mit dem früheren US-Präsidenten Donald Trump, dem ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán sowie den Staatschefs Recep Tayyip Erdoğan (Türkei), Jair Bolsonaro (Brasilien) und Alexander Lukaschenko (Belarus). Deren Politik wird als »Austerität mit autoritärem Staat« bezeichnet. Damit ist unter anderem die Kommunistische Plattform (KPF) in der Linkspartei unzufrieden. Sie fordert stattdessen die Formulierung: »Eine neue Austerität, gewährleistet durch autoritäres staatliches Handeln, nicht selten verknüpft mit faschistoiden Tendenzen.« In ihrer Begründung will die KPF nicht direkt auf die Legitimität der im Leitantrag genannten personellen Vergleiche eingehen, weist aber darauf hin, dass in diesem Zusammenhang eigentlich noch weitere autoritäre Herrscher wie der Ägypter Al-Sisi und Paul Kagame aus Ruanda erwähnt werden müssten.
Der Berliner Ortsverband Pankow Nord-West schreibt in einem Antrag, dass die Idee einer Zone der gegenseitigen Sicherheit und Zusammenarbeit vom Atlantik bis zum Stillen Ozean unter Einschluss Russlands wieder aufgegriffen werden sollte. Dazu bedürfe es aber der Beendigung der »Russophobie«, die wie ein giftiges Geschwür Politik, veröffentlichte Meinung und die gesamte Gesellschaft durchziehe. Aus Sicht der Pankower ist auch die Linke nicht ganz frei davon. »Es geht darum, auch und insbesondere mit Russland zu guter Nachbarschaft, zur Zusammenarbeit zum gegenseitigen Vorteil und zur partnerschaftlichen Befriedung internationaler Konflikte zu kommen«, schreiben die Antragsteller. Dazu bedürfe es eines völlig anderen Umgangs mit Russland und mit Putin, der insbesondere durch Begegnung auf Augenhöhe und gegenseitigem Vertrauen geprägt sein müsse.
Die Schwierigkeit der linken Russland-Politik hat der sachsen-anhaltische Politiker Wulf Gallert kürzlich in einem Beitrag für die Plattform die-zukunft.eu beschrieben. Darin kommt Gallert zu dem Schluss, dass er trotz seiner entschiedenen Kritik am autokratischen politischen System in Russland und unter Beachtung klimapolitischer Einwände ein Befürworter der Fertigstellung der derzeit heftig umkämpften Gaspipeline Nord Stream 2 durch die Ostsee ist. »Ich bin optimistisch, dass wir als Gesamtpartei eine solche Position glaubhaft vertreten können«, schreibt Gallert.
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