Blub blub
Sonntagmorgen
Ich hatte schon oft mit der Hausverwaltung die Kontroverse, was eine Havarie ist und was nicht. Die Verwaltung geht davon aus, dass kein Vorfall eine Dringlichkeit hat, die schnelles Handeln nötig macht. Ein defekter Boiler braucht halt seine Zeit zur Reparatur. Warmes Wasser gibt es auch beim Nachbarn oder aus dem Wasserkocher. Oder kalt duschen, bis sich ein Handwerker meldet.
Jetzt, so bin ich mir sicher, liegt eine Havarie vor. Das Wasser in der Toilette läuft langsam ab. Ein geradezu meditativer Anblick. Ich spüle und schaue zehn Minuten zu, bis der Abfluss wieder den gewohnten Pegel erreicht hat. Ein klarer Fall für die Havarienummer. Aber jeder im Haus hat gelernt, dass man erst versuchen soll, das Problem selbst zu lösen, bevor man sich von der Verwaltung erniedrigen lässt. Ich schaue im Internet nach. Früher hätte ich bedenkenlos die Chemiekeule geschwungen. Aber jetzt möchte ich alles vermeiden, was den Berliner Fischbestand um 50 Prozent dezimiert. Also gehe ich los und besorge Natron und Essigessenz. Aber das Zusammenwirken von Natron und Essig hat leider auch einen umweltschädlichen Einfluss - es entsteht Kohlenstoffdioxid. Na ja, immerhin werden die Gewässer nicht belastet. Insgesamt vier Mal lasse ich es blubbern, aber mehr passiert leider nicht.
Ich gehe runter in den Hausflur. Das Hinterhältige ist, dass die Havarie-Telefonnummer identisch ist mit der Telefonnummer für Anliegen, die man während der Sprechstunden dienstags und donnerstags besprechen darf. Dazu müsste aber jemand abheben. Dennoch versuche ich mein Glück. Zu meiner Überraschung meldet sich eine Frau und ich schildere atemlos, weil schockiert von meinem Glück, mein Anliegen.
»Ich gebe das ins System ein«, erklärt sie gleich darauf. »Eine Firma wird sich bei ihnen melden«, fährt sie fort und legt dann auf.
Kurze Zeit später klingelt das Handy. »Firma Rohrfrei. Ihre Hausverwaltung hat uns kontaktiert. Innerhalb der nächsten zwei Stunden ist ein Handwerker bei ihnen.« Dann wird aufgelegt. Was ist bloß los mit der Hausverwaltung los? Ist die Mitarbeiterin neu und nicht eingearbeitet?
Eine Stunde später steht der Handwerker vor der Tür.
»Sie noch, dann habe ich Feierabend«, sagt er zur Begrüßung. Ich verstehe die Botschaft. Entweder hat er in fünf Minuten Feierabend oder er wird mich sein Lebtag lang hassen. Er geht zur Toilette und spült einmal. Dann nickt er wissend und holt einen Pömpel. Unterdruck erzeugen und das Rohr freispülen. Davon hatte ich im Internet gelesen, aber mangels Gerät als Lösungsweg verworfen.
Er stößt den Pömpel mehrmals tief in den finsteren Schlund und dann scheint sich etwas zu lösen. »Da war wohl das eine und andere Blatt zuviel bei der letzten Sitzung«, kommentiert er.
Er reicht mir den Auftrag, nimmt seine Gerätschaften und ist dann verschwunden. Ich stehe da und rätsele noch immer, wie schnell die Sache gelöst wurde. Ob ich geträumt habe? Das kann nicht sein, ich stehe doch mit dem Auftrag im Flur. Dann wache ich auf.
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