Ohne Frieden ist alles nichts

Fast alle Redner*innen auf dem Linke-Bundesparteitag beharren auf der radikalen Ablehnung von Bundeswehr-Auslandseinsätzen

Selbst der SPD-Linken zugerechnete Politiker wie der Chef der Sozialdemokraten, Norbert Walter-Borjans, haben die Linke aufgefordert, ihre generelle Ablehnung von Auslandsmissionen der Bundeswehr aufzugeben. Nur so sei eine Zusammenarbeit auf Bundesebene möglich.

Solche Ansagen sind offenkundig ein wesentlicher Beweggrund für Initiativen wie die des Bundestagsabgeordneten Matthias Höhn für eine »pragmatischere« Außenpolitik. Höhn sagte am Freitag im ARD-Morgenmagazin, eine solche sei nötig, um zu einem Politikwechsel, also zu einer grün-rot-roten Bundesregierung zu kommen. Auf dem Parteitag wandten sich unterdessen zahlreiche Redner*innen gegen jede Aufweichung der friedenspolitischen Positionen der Partei inklusive der Ablehnung auch UN-geführter Militäreinsätze.

Zugleich forderten die neue Linke-Vorsitzende Susanne Hennig-Wellsow und ihre Vorgängerin Katja Kipping vehement ein Bekenntnis der Partei zur Regierungsbeteiligung im Bund. Kipping führt die schwachen Umfragewerte der Linken auch auf deren Unentschiedenheit in dieser Frage zurück. »Sind die Bedingungen für Mitte-Links optimal? Wahrlich nicht«, sagte Kipping.

Doch die Linke könne es sich nicht leisten, »auf optimale Bedingungen zu warten«. Vielmehr müsse sie verhindern, dass die Kosten der Coronakrise auf die Ärmeren, auf die Werktätigen und auf die Kommunen abgewälzt werden. »Die Zeiten« verlangten von der Linken »mehr, als nur an der Seitenlinie zu stehen und das schlechte Spiel zu kritisieren«, rief Kipping den Delegierten zu.

Nicht wenige Genoss*innen betonten dagegen, das Arbeiten für linke Mehrheiten in der Gesellschaft in Betrieben, Gewerkschaften, Klimaschutz und auf den Straßen in antirassistischen Bewegungen habe nichts mit tatenlosem Kommentieren der Lage vom Spielfeldrand zu tun.

Vielmehr sei all das Voraussetzung für linke Mehrheiten in der Gesellschaft und damit für einen echten Politikwechsel, erklärte etwa Lucy Redler, die sich in der Berliner Initiative Deutsche Wohnen & Co enteignen und in den Kämpfen von Pflegekräften für bessere Arbeitsbedingungen engagiert.

Die Linksfraktionsvorsitzenden Amira Mohamed Ali und Dietmar Bartsch betonten derweil, die Linke müsse selbst stärker und attraktiver werden, um einen echten Politikwechsel herbeiführen zu können. Mohamed Ali stellte die vielen Erfolge heraus, die die Partei auch aus der Opposition heraus errungen habe und erklärte. »Das hier ist der Parteitag der Linken und nicht der irgendeiner Konstellation.«

Auf das Mitte Januar von Matthias Höhn veröffentlichte und seither in der Partei heftig diskutierte Positionspapier zu »linker Sicherheitspolitik« bezogen sich viele Delegierte in ihren Redebeiträgen direkt oder indirekt. Höhn hatte unter anderem mehr Offenheit der Partei für Auslandseinsätze der Bundeswehr unter der Ägide der Uno gefordert.

Ellen Brombacher von der Kommunistischen Plattform mahnte, die Linke könne nur weiterexistieren, wenn sie »in dieser Frage nicht einknickt«. Das Schlimmste wäre es aus ihrer Sicht, wenn es im Bundestag keine Partei mehr gäbe, »die sich gegen die aggressive Nato-Politik stellt«. Brombacher nannte es inakzeptabel, friedenspolitische Positionen mit dem Argument infrage zu stellen, das interessiere die Wähler nicht so sehr. Höhn hatte unter Berufung auf Umfragen erklärt, die Linke werde wegen ihrer Sozialpolitik gewählt, die Friedensfrage spiele eine geringe Rolle.

Auch Melanie Wery-Sims, Spitzenkandidatin der Linken zur Landtagswahl in Rheinland-Pfalz und seit Samstag Mitglied des Bundesvorstands, warnte vor einer Aufweichung der friedenspolitischen Positionen der Partei – und verwies auf die vielen Militärstandorte in ihrem Bundesland.

Gleichwohl gibt es zahlreiche Befürworter einer pragmatischen Haltung zu Nato und Militäreinsätzen. So twitterte Anna Westner vom Bundessprecher*innenrat der Linksjugend solid, nachdem Matthias Höhn nicht zum stellvertretenden Parteichef gewählt worden war: »Der Parteitag hat sich gerade für alte Dogmen und gegen eine moderne Außen- und Sicherheitspolitik entschieden. Bitter.«

Der ehemalige außenpolitische Sprecher der Linksfraktion im Bundestag, Stefan Liebich, forderte am Samstag im Deutschlandfunk ein »Ende des Festbeißens an überholten Dogmen«. Wenn an der Frage einiger weniger Soldaten, die man in einen »UNO-legitimierten« Einsatz schicke, etwa »die Einführung der Vermögenssteuer oder das Ende der Zwei-Klassen-Medizin« scheitere, könne man das keinem Wähler erklären.

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