Die Band, die es ernst meinte

Plattenbau. Die CD der Woche- Black Sabbath: »Vol 4 Revisited«

  • Frank Schäfer
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Kritiker hassten Black Sabbath. Die Plebejerkinder hingegen waren begeistert und berührt von der dunklen Aura dieser 1969 gegründeten Band, die ihre dystopischen Naherwartungen in eine passgenaue musikalische Bleiform zu gießen verstand.

Mit »Volume 4« änderte sich 1972 langsam die Stimmung in der Journaille. In den USA war der bekannte Kritiker Lester Bangs, der Black Sabbath drei Alben lang als dümmliche Cream-Epigonen verächtlich gemacht hatte, der erste, der sein Urteil revidierte. Er erkannte, dass sie die einzigen waren, die es wirklich ernst meinten mit ihren Hörern. Das Quartett aus der heruntergekommenen Industriestadt Birmingham spielte ihnen keine heile Welt vor, sondern schaute in den Abgrund, der auch für die meisten ihrer Fans nicht bloß symbolische Bedeutung besaß.

Dass Lester Bangs erst bei »Vol 4« den Braten zu riechen beginnt, ist insofern bemerkenswert, als sich das Album von der reinen Lehre schon wieder etwas entfernt. Das hat verschiedenen Gründe. Die Band bekommt erstmals genügend Zeit im Studio, immerhin sechs Wochen. Für Live-Pragmatiker wie sie eine halbe Ewigkeit, die gefüllt werden muss. Außerdem wollen sie sich künstlerisch weiterentwickeln, die ewige Kritikerhäme nagt an ihren Egos. Deshalb entledigen sie sich ihres Studiozuchtmeisters Rodger Bain und beanspruchen die volle Kontrolle über den Aufnahmeprozess. Manager Patrick Meehan bekommt zwar Credits als Co-Producer, hat aber allenfalls die Aufgabe eines Korrektivs.

Hier zeigt sich das gewachsene Selbstvertrauen der Band, vor allem ihres Rifflords Tony Iommi. Der schwingt jetzt das Zepter und nutzt zum ersten Mal in größerem Umfang die Studiotechnik. In »FX« malträtiert er seine Gibson SG mit dem Kreuz an seiner Halskette und verfremdet die Geräusche durch diverse Echos in Richtung Avantgarde-Horror-Soundtrack. An einen Filmscore erinnert auch sein akustisches Schmuse-Instrumental »Laguna Sunrise«, das ein Streichorchester auf Breitwand-Größe aufbläst. Strings kommen mehrmals zum Einsatz, nicht zuletzt bei der zuckerigen Piano-Elegie »Changes« über Bill Wards Trennung von seiner Frau.

Das sind die Ausreißer. Die übrigen Songs variieren das in den unteren Mitten voll gesättigte, brutzelnde, Riff auf Riff türmende Erfolgsrezept und ergänzen das noch junge Heavy-Metal-Genre um ein paar weitere Klassiker wie »Supernaut« oder »Snowblind«. Zwei kaum verhohlene Koks-Apologien. Noch in den liner notes geht ein besonderer Dank an »the great COKE-cola«. Nicht ohne Grund. Die drogistischen Exzesse während der Aufnahme-Sessions sind legendär. Wenn es tatsächlich vorher irgendwelche Zweifel gegeben haben sollte, dass sie ohne Hilfe eines Produzenten ein großes Album abliefern können, das weiße Pulver schnorchelt sie weg.

Die nun erschienene »Super Deluxe Edition« enthält neben den üblichen Devotionalien und der ausführlichen Dokumentation in Schrift und Bild ein gutes, sattes, erstaunlich frisch klingendes Remaster des Originalalbums. Außerdem bietet sie Studio-Outtakes, die Steven Wilson auf der Basis der Original-Multitrack-Bänder neu gemischt hat und die noch etwas offener und brillanter klingen als das Remaster.

Für die Bandarchäologen noch interessanter sind die tatsächlichen Fehlversuche. Man hört leichte Verspieler, verknotete Finger, verschleppte Grooves und auch ein wenig Studio-Parlando der Beteiligten. Näher kommt man dem Produktionsprozess kaum. Abgerundet wird diese würdige Neuedition durch einen vollständigen, wenn auch eher durchschnittlichen Gig von der 1973er UK-Tour. Aber was heißt schon durchschnittlich bei dieser fulminanten Live-Band.

Black Sabbath: »Vol 4 Revisited. Super Deluxe Edition« (BMG)

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