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Gelassen und zugleich kämpferisch

Irmtraud Gutschke spricht über den Schriftsteller Hermann Kant

Irmtraud Gutschke von Büchern umgeben: In ihrem aktuellen Buch veröffentlicht sie Texte von Hermann Kant.
Irmtraud Gutschke von Büchern umgeben: In ihrem aktuellen Buch veröffentlicht sie Texte von Hermann Kant.

Die jüngste von dir edierte Textsammlung waren »Tiergeschichten« von Tschingis Aitmatow. Und nun erschien ein Band zu Hermann Kant. Was hat dich zu dieser Arbeit bewogen?
Ich habe mit ihm 2007 das Gesprächsbuch »Die Sache und die Sachen« gemacht und war seither mit ihm in Verbindung. Ich wusste, wie sehr er sich über einen Band im Aufbau Verlag gefreut hätte, in dem auch seine letzte Erzählung, »Ein strenges Spiel« veröffentlicht ist. Die hat er zunächst im Selbstverlag publiziert.

literatursalon

Online. 2. Juni 2021, 18.00 Uhr,
dasND.de/Sendung02062021

»Literatur ist ein anderes Wort für Ausweg«
Im Gespräch mit Olaf Koppe stellt Irmtraud Gutschke den von ihr herausgegebenen Band »Therapie« mit späten Erzählungen und Essays von Hermann Kant vor.

Was hat dich besonders an Hermann Kant beeindruckt?
Wie wortmächtig er war. Trat er im Schriftstellerverband der DDR auf, empfand ich das immer als Ereignis. Durch seine Sprachkraft schuf er einen Abstand zwischen sich und anderen. Er konnte aber auch sehr einfach sprechen.

In der Ankündigung zum Buch steht, dass Kant Gestaltungsmut hatte. Was bedeutet das?
Einfach nur »geradeaus« zu erzählen, das war ihm zu wenig. Es machte ihm Spaß, vielschichtige Gedanken in seine Sätze zu packen und so lange an ihnen zu feilen, bis diese eine Dialektik in sich trugen und auch sprachlich überraschend waren. Das war für seine Leser Lust und Herausforderung zugleich. Gestaltungsmut bewies er aber auch als Präsident des Schriftstellerverbands der DDR. Er musste Balance halten zwischen den Erwartungen der SED-Führung und denen der Autorinnen und Autoren. Die Machthabenden in der DDR wünschten sich Mitstreiter in ihrem Sinne, eigentlich schlichtweg ideologische Erfüllungsgehilfen. Schriftstellerinnen und Schriftsteller dagegen bestanden auf ihrem Recht zum Einspruch in gesellschaftliche Angelegenheiten, gerade auch, wenn das mit Kritik verbunden war. Da waren Konflikte programmiert. In diesem Sinne eingreifende Literatur erwarteten auch die Leserinnen und Leser. Einfluss und Prestige von Literaturschaffenden waren in der DDR weit größer als heutzutage. Wer könnte sich vorstellen, dass ein Umweltminister sich vor einem Schriftstellerkongress verantworten müsste.

Er sagte selbst, dass das Wichtigste an der DDR der Traum von ihr war. Darin steckt auch Enttäuschung darüber, wie sich das Land entwickelte.
Er dachte aber immer, dass man das schon hinbekommt. Das, was falsch lief, war für ihn wie ein fauliges Stück an einem sonst guten Apfel. Von der Idee einer besseren Gesellschaft hat er sich nie verabschieden wollen.

Dann kam 1990, die Wiedervereinigung. Die Folgejahre waren nicht leicht für ihn. War er verbittert?
Wegen seiner Funktion wurde er in der Öffentlichkeit zum Sündenbock gemacht. PEN und Akademie der Künste sagten sich von ihm los. Mehrere Prozesse führte er gegen die Behauptung, dass er IM der Stasi gewesen sei. Im hier abgedruckten Briefwechsel mit Hermann L. Gremliza von 2007 hat er sich detailliert dazu geäußert. Hinzu kamen private Sorgen. Seine Frau verlor ihre Anstellung in der Akademie der Künste und zog mit den Kindern nach Cambridge. Schließlich fand er sich in seiner kaum heizbaren Gartenlaube in Prälank wieder, in sehr bescheidenen Verhältnissen. Die nahm er ohne Klage für sich an, ich denke, auch weil er in Armut aufgewachsen war. Ich habe ihn nie verbittert erlebt.

Für ihn wichtige Erlebnisse verarbeitete Kant literarisch. Was sind für dich die Highlights, die du für dein Buch ausgewählt hast?
»Ein strenges Spiel« hat er zu schreiben begonnen, als er mit einer Entzündung an seiner künstlichen Herzklappe im Krankenhaus lag. Auf kunstvolle Weise lässt er darin sein Leben Revue passieren. Sehr wichtig für das Verständnis seiner Biografie ist die Rede »Über Schriftstellerei«, die er 1989 in Warschau hielt. Denn die vier Jahre seiner Kriegsgefangenschaft in Polen haben ihn als politisch denkenden Menschen wie auch als Schriftsteller geprägt.

Gibt es etwas, das du für dich aus den Gesprächen mit Kant mitgenommen hast?
Geistig beweglich bleiben, sich nicht der Gegenwart und Zukunft verschließen.

Irmtraud Gutschke (Hg.):
Therapie
Aufbau Verlag
160 S., geb., 22,00 €

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