Marx und Woelki - Wer bleibt, wer geht?
Die Diskussion um die Zukunft der beiden Bischöfe spitzt sich weiter zu
Rainer Maria Kardinal Woelki und Reinhard Kardinal Marx gehören zu den einflussreichsten Männern in der katholischen Kirche in Deutschland. Ihr Wort hat in der Kirche und darüber hinaus in der Gesellschaft Gewicht. Doch beide Männer haben ein Problem. In der Aufklärung von sexualisierten Gewalttaten im kirchlichen Zusammenhang haben sie Fehler gemacht. Diese Fehler einzugestehen, die Aufarbeitung voranzubringen und soweit es möglich ist, Wiedergutmachung zu leisten, das sind Aufgaben mit denen die beiden Kirchenmänner ganz unterschiedlich umgehen.
Über Münchens Bischof Reinhard Marx wurde am Freitag bekannt, dass er dem Papst angeboten hat zurückzutreten. In dem Brief, den das Bistum veröffentlichte, schreibt Marx, er wolle «Mitverantwortung» für die «Katastrophe des sexuellen Missbrauchs» tragen. Die bisherige Aufarbeitung zeige ihm, dass es «viel persönliches Versagen und administrative Fehler» gegeben habe und auch «institutionelles oder systemisches Versagen». Diskussionen der letzten Zeit hätten ihm gezeigt, dass «manche» in der Kirche diese Probleme nicht sehen wollten und deshalb jedem «Reform- und Erneuerungsdialog im Zusammenhang mit der Missbrauchskrise ablehnend gegenüberstehen.» Er wolle zeigen, dass «nicht das Amt im Vordergrund steht, sondern der Auftrag des Evangeliums». Für Marx ist die Kirche an einem «toten Punkt», er hofft, dieser könne ein Wendepunkt sein.
Das Rücktrittsangebot von Marx wird übergreifend als starkes Zeichen und Beweis gedeutet, wie ernst es dem Münchener Bischof mit der Aufklärung ist. Dies hatte Marx auch schon früher bewiesen. So hatte er im Dezember 500 000 Euro, den Großteil seines Vermögens, in eine Stiftung für die Opfer von sexualisierter Gewalt eingebracht. Am Wochenende gab es mehrfach Bekundungen, ein Rücktritt von Marx sei verkehrt. So sagte Joachim Unterländer, der Vorsitzende des bayerischen Landeskomitees der Katholiken, Marx sei ein «herausragender, unverzichtbarer Vertreter der Kirche, wenn es um die Realisierung von systemischen Veränderungen geht». Die Kirche brauche Marx für die Aufklärung, er sei es, der die «die Perspektive der Opfer in den Mittelpunkt gerückt» habe.
Reaktionen, von denen Rainer Woelki derzeit nur träumen kann. Der Vorsitzende des Kölner Katholikenausschusses, Gregor Stiels, erklärte am Montag im «Kölner Stadtanzeiger», Woelki sitze «einkaserniert in seinem Bischofshaus und nimmt selbst das nicht mehr wahr, was alle ihm sagen, die nah an der Stimmungslage in den Gemeinden sind». Stiels hofft, dass die päpstlichen Visitatoren dem Kardinal «klarmachen» könnten, dass sich etwas ändern müsse. Vielleicht sei es notwendig, dass Woelki die Entscheidung aus der Hand genommen wird. Der schwedische Kardinal Anders Arborelius und der holländische Bischof Hans van den Hende, die als päpstliche Visitatoren nach Köln geschickt worden sind, nehmen in dieser Woche ihre Arbeit auf.
Wie die «Frankfurter Allgemeine Zeitung» unter Berufung auf Kirchenkreise berichtet, sind Mitarbeiter des Bistums damit beschäftigt, Materialien zusammenzustellen, die den Erzbischof entlasten. Auch öffentlich versucht Woelki, sich weiter als Aufarbeiter zu inszenieren. Am Sonntag veröffentlichte das Kölner «Domradio» eine Botschaft Woelkis unter dem Titel: «Es tut sich was!» Der Bischof erklärt darin, dass er den Papst schon im Dezember darum gebeten habe, «die Aufarbeitung sexualisierter Gewalt im Erzbistum Köln sowie meine persönliche Verantwortung» zu bewerten«. Die Aufarbeitung im Bistum habe bereits »zu massiven Konsequenzen« geführt. Es gebe eine neue Abteilung »Aufarbeitung«, das Priesterseminar habe eine neue Leitung, die Priester- und Diakonenausbildung werde nun von einer Frau geführt. In Zukunft soll ein anonymes Hinweisgebersystem für Fälle von sexualisierter Gewalt und ein »Verhaltenskodex des christlichen Miteinanders« erarbeitet werden.
Woelki hofft so offenbar aus der Defensive zu kommen und bei den Abgesandten des Papstes einen guten Eindruck zu erwecken. Mit welchem genauen Auftrag diese nach Köln gereist sind, ist nach wie vor unbekannt. Bekannt ist, dass sie mit Betroffenen von sexualisierter Gewalt sprechen wollen. Auch die beiden ehemaligen Sprecher des Betroffenenbeirats, die aus Protest wegen der mangelnden Aufarbeitung zurückgetreten waren, sollen zu den Gesprächspartnern gehören.
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