Keine Wohnung für Ateş und Yıldız

Neues Leitbild soll Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt entgegenwirken

  • Marie Frank
  • Lesedauer: 3 Min.

Schon wer Schmidt heißt, hat es auf dem Berliner Wohnungsmarkt schwer, eine Wohnung zu finden. Lautet der Nachname Ateş oder Yıldız, wird die Wohnungssuche noch schwieriger. So war es auch bei einem Berliner Ingenieur mit türkischer Migrationsgeschichte. Vier Jahre hatte er vergeblich nach einer Bleibe gesucht, stets hagelte es Ablehnungen. Also machte er den Test: Er legte sich mit Michael Grünberg einen deutsch klingenden Alias zu - und schwupps, bekam er zwei Einladungen für Wohnungsbesichtigungen. Ein eindeutiger Fall von Diskriminierung, befand dann auch das Gericht und verurteilte den Vermieter, die Deutsche Wohnen, zu 3000 Euro Entschädigung.

Kein Einzelfall, wie Remzi Uyguner, Leiter der Berliner Fachstelle gegen Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt des Türkischen Bundes in Berlin-Brandenburg (TBB) am Montagnachmittag bei der Vorstellung des neuen Leitbildes »Berlin vermietet fair« berichtet: 214 Beratungen wurden dort im vergangenen Jahr durchgeführt; in 75 Fällen stellte man eine eindeutige Diskriminierung fest. Die Dunkelziffer dürfte jedoch weit höher liegen, so Uyguner.

Ein Drittel der Fälle betraf landeseigene Unternehmen, die übrigen bezogen sich auf private Vermieter*innen. Nicht immer ging es dabei um Diskriminierungen bei der Wohnungssuche, in jüngster Zeit hätten auch Nachbarschaftskonflikte stark zugenommen.

Damit es bei der Vergabe von Wohnraum gar nicht erst zu Diskriminierung kommt, hat die Fachstelle nun ein Leitbild verfasst, das unter anderem Transparenz im Vermietungsprozess oder eine einfache Sprache im Umgang mit Bewerber*innen vorsieht. »Indem sich Berliner Vermieterinnen und Vermieter und Wohnungsunternehmen selbst verpflichten, die Leitsätze für eine diskriminierungs- und vorurteilsarme Vermittlung, Vermietung und Verwaltung von Wohnungen anzunehmen, kann schon in ihrem Arbeitsalltag dem Entstehen diskriminierender Strukturen entgegengewirkt werden«, hofft die Staatssekretärin für Antidiskriminierung, Margit Gottstein (Grüne).

Je größer der Wohnraummangel, desto mehr Diskriminierung, weiß auch die Staatssekretärin für Wohnen, Wenke Christoph (Linke). Neben dem Bau bezahlbarer Wohnungen müsse der Senat auch für einen gleichberechtigten Zugang sorgen, erklärt sie. Dabei spielten die landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften eine wichtige Rolle, aber auch private und genossenschaftliche Vermieter*innen müssten das Leitbild annehmen und umsetzen.

Doch obwohl das Leitbild nicht mit Sanktionen belegt ist, wollten es nur zwei der zwölf angefragten Wohnungsunternehmen unterschreiben. Die übrigen verwiesen darauf, dass mit mehr Transparenz auch mehr Arbeitsaufwand verbunden sei, oder auf eigene Leitbilder. Andere befürchten angesichts des angespannten Wohnungsmarktes und der damit verbundenen Ablehnungen von Bewerbungen Falschanschuldigungen. Einige Vermieter*innen, die mit sozialen Trägern zusammenarbeiten, sorgten sich wiederum darum, dass sie bei Bevorzugung von benachteiligten Bewerber*innen ebenfalls wegen Diskriminierung belangt werden könnten, berichtet die Koordinatorin der Fachstelle gegen Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt, Christiane Droste.

Wibke Werner vom Berliner Mieterverein hat dafür wenig Verständnis: »Das Leitbild ist eine Chance für Vermieter*innen. Es ist ein fragwürdiges Signal, wenn man sich dem verweigert«, findet sie. Die Begründungen der Vermieter*innen lässt sie nicht gelten: »Immer mehr Investor*innen wollen in Berlin mit der Vermietung von Wohnraum Gewinn machen und haben wenig Interesse an einem Schutz der Mieter*innen.« Hier sei ein Umdenken nötig: Vermietung sei als Teil der Daseinsvorsorge mit sozialer Verantwortung für die Gesellschaft verbunden, »dazu gehört auch das diskriminierungsfreie Vermieten«.

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