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Kleinstadt Klingenthal verkauft kommunale Wohnungen
Die vom demografischen Wandel stark betroffene sächsische Kleinstadt Klingenthal trennt sich von allen städtischen Wohnungen
»Wohnen, wo andere Urlaub machen!« – mit dem Slogan wirbt die Wohnungsgesellschaft (WOGE) im Wintersportort Klingenthal im sächsischen Vogtland. Er verfängt freilich bei zu wenigen Menschen. Obwohl aktuell etwa eine 81 Quadratmeter große Vierraumwohnung mit Balkon für günstige 410 Euro kalt zu haben ist, bleibt die Nachfrage insgesamt viel zu gering. Ende 2018 stand ein Viertel des Wohnungsbestandes der WOGE leer; die Gesellschaft drückten Verbindlichkeiten von 5,8 Millionen Euro. Sie gehört der Kommune, aber nicht mehr lange. Vorige Woche beschloss der Stadtrat den Verkauf aller Wohnungen; am Freitag wird der Käufer vorgestellt. Mit dem Erlös will die Stadt alle eigenen Schulden und die der Wohnungsgesellschaft tilgen.
Der Schritt wirkt aus der Zeit gefallen. In Dresden, wo 2006 ebenfalls mit dem Ziel der vollständigen Entschuldung die kommunale Wohnungsgesellschaft Woba an einen Investor verkauft worden war, drängen Stadträte gerade, einige tausend dieser Wohnungen in städtisches Eigentum zurückzuholen; Fusionspläne der Immobilienkonzerne Deutsche Wohnen und Vonovia böten eine Gelegenheit. In Berlin macht die Initiative »Deutsche Wohnen enteignen« Druck, um früher verkaufte Wohnungen zu rekommunalisieren. In diesen und anderen Metropolen gehen die Mieten durch die Decke; es herrscht großer Mangel an bezahlbaren Wohnungen.
In ländlichen Regionen ist die Problemlage eine völlig andere: Menschen ziehen weg; Wohnungen stehen leer; ihr Unterhalt wird zunehmend zum finanziellen Problem. Das durch den Instrumentenbau bekannte, nahe der Grenze zu Tschechien gelegene Klingenthal verlor allein von 2014 bis 2018 sechs Prozent der Einwohner. Aktuell leben in der Stadt gut 8000 Menschen, bis 2035 sehen selbst optimistische Szenarien einen Rückgang um ein Viertel vor. Die Stadt reagierte mit Abriss; die Zahl der WOGE-Wohnungen sank von 860 im Jahr 2009 auf jetzt knapp 600 und soll auf unter 400 reduziert werden. Doch selbst für diese gibt es kaum Mieter.
Nun will sich die Stadt des Problems entledigen. CDU-Bürgermeister Thomas Hennig sagte, allein sei man nicht mehr in der Lage, die Wohnungen zu halten; die finanziellen Risiken ihrer weiteren Bewirtschaftung seien zu groß. Im Stadtrat, in dem CDU, Freie Wähler und das Bündnis »Pro Klingenthal« vertreten sind, gab es nach Angaben der örtlichen »Freien Presse« lediglich zwei Enthaltungen. Der in Aussicht gestellte Erlös soll über den Erwartungen liegen und eine Entschuldung ermöglichen. Klingenthal hatte, wie Hennig zum Jahreswechsel im Amtsblatt anmerkte, vor wenigen Jahren noch zwölf Millionen Euro Schulden und sei jetzt bei 3,6 Millionen angelangt: »Ich bin mir sicher, dass wir auch das kommende Jahr mit den zur Verfügung stehenden Mitteln gut bewerkstelligen werden.«
Dass nun trotzdem städtisches Eigentum verkauft wird, stößt auf Kritik. Lars Legath, Kreisvize der Linken im Vogtland, erklärte, »bei allem Verständnis« für die Stadt könnten geschätzt fünf Millionen Euro Erlös »nicht der Grund sein, einen Teil der sozialen Daseinsvorsorge (...) abzugeben«. Kreischefin Janina Pfau ergänzte, Kredite seien derzeit günstig wie nie: »Es wäre sinnvoll gewesen, wenn die Stadt umgeschuldet hätte.« Generell merken die Linke-Politiker an, langfristig seien die Probleme von Kommunen wie Klingenthal »nur über höhere Zuweisungen von Bund und Land zu lösen und nicht über den Verkauf endlicher Güter und dem dauerhaften Einsparen sozialer Leistungen«.
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Offen ist, wer die Wohnungen im Vogtland kauft und welches Geschäftsmodell dahinter steht. Roman Grabolle vom Leipziger Bündnis »Stadt für alle« mutmaßt im Kurznachrichtendienst Twitter, »tatsächlich lohnen« dürfte sich eine solche Investition in Bestände eines nicht sonderlich lukrativen kommunalen Wohnungsunternehmens wohl nur, »wenn in den nächsten Jahren massiv auf staatliche Zuschüsse und Zulagen gesetzt wird«: Einnahmen durch individuelle Leistungen wie Wohngeld und Wohnkosten für Empfänger von Hartz IV, aber auch staatliche Förderung für preiswerten Wohnraum. Gelinge es Investoren, derlei Quellen anzuzapfen, setzt sich laut Grabolle »die Umverteilung staatlicher Gelder an private Eigentümer der letzten 30 Jahre insbesondere in Ostdeutschland weiter fort«.
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