Gesperrte Privatadresse geht an AfD

Private Informationen von bedrohter Anwältin Seda Başay-Yıldız in Ermittlungsakten einsehbar

  • Sebastian Bähr
  • Lesedauer: 4 Min.

Die gesperrten Daten der Frankfurter Rechtsanwältin Seda Başay-Yıldız sind neben anderen Parteien auch an die AfD verschickt worden. Die Linkspartei hatte noch versucht, die Schwärzung der Informationen zu erreichen, blieb jedoch erfolglos. »So geht man nicht mit gesperrten Daten um«, kritisierte Başay-Yıldız gegenüber der »Frankfurter Rundschau« am Dienstag. Die Privatanschrift der Anwältin wie auch die Adresse der Kita ihrer Tochter befinden sich momentan einsehbar in den Akten für den Lübcke-Untersuchungsausschuss des Hessischen Landtages. Ein Hinweis auf diesen Umstand wurde an alle Fraktionen im Landtag versandt - auch an die AfD.

Die Rechtsanwältin und ehemalige Nebenklägerin im NSU-Prozes steht schon seit Längerem unter Polizeischutz, da sie seit Sommer 2018 mehrfach Drohschreiben erhielt. Unterschrieben waren diese mit »NSU 2.0«. Die Schreiben hatten nichtöffentliche Informationen über sie, ihre Tochter und weitere Familienangehörige enthalten.

Bei Ermittlungen stellte sich heraus, dass Daten der Anwältin ohne dienstlichen Anlass aus der Dienststelle des 1. Polizeireviers in Frankfurt am Main abgerufen worden waren. Die Staatsanwalt stieß bei Nachforschungen auf eine Chatgruppe, in der Beamte extrem rechte Inhalte austauschten. Verantwortlich für die Drohschreiben sollen sie aber nicht gewesen sein, so die Sicherheitsbehörden.

Im Mai hatte die Polizei einen Tatverdächtigen für diese und weitere Schreiben präsentiert. Ein Berliner soll sich demnach am Telefon gegenüber Behörden als Polizist ausgegeben und so Informationen abgefragt haben. Doch an den Thesen der Ermittler kamen Zweifel auf. Direkt nach einem Umzug von Başay-Yıldız tauchte auch die neue, gesperrte Adresse in den Drohschreiben auf. Eine Abfrage von gesperrten Daten dürfte für Zivilisten in diesem Fall angesichts hoher Sicherheitsverfahren jedoch kaum möglich gewesen sein. Der Sonderermittler der hessischen Polizei, Hanspeter Mener, hatte öffentlich gemutmaßt, dass der Täter oder die Täter stattdessen auch über das private Umfeld der Anwältin an die Adressdaten gekommen sein könnten. Başay-Yıldız nannte gegenüber der »FR« die Verdächtigungen gegenüber ihrem Umfeld eine »Unverschämtheit«.

Als die Linkspartei nun jüngst die Akten für den Untersuchungsausschuss im Mordfall Walter Lübcke durchging, war sie überrascht, als sich dort auch die gesperrten Daten von Başay-Yıldız befanden. Der Grund dafür war offenbar die Abgabe eine Gefährdungseinschätzung, vermutete Hermann Schaus, der innenpolitische Sprecher der Linksfraktion und Obmann im Lübcke-Untersuchungsausschuss. Der Politiker wandte sich nach eigener Aussage an Staatskanzleichef Axel Wintermeyer, Innenminister Peter Beuth und den Vorsitzenden des Untersuchungsausschusses, Christian Heinz (alle CDU). Er habe sie gebeten, zu überprüfen, inwiefern die privaten Daten geschwärzt oder uneinsehbar gemacht werden können.

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Statt der Forderung nachzukommen, habe Wintermeyer nach Rücksprache mit Beuth jedoch »keinerlei Problembewusstsein« erkennen lassen, so Schaus. Ein Antwortschreiben wurde dazu noch auf Veranlassung des Ausschussvorsitzenden Heinz als »Rundsendung« an alle Fraktionen weitergeleitet - wodurch auch die AfD-Fraktion auf den Vorfall aufmerksam gemacht wurde. »Diese mangelnde Sensibilität sowie das mangelnde Problembewusstsein im Umgang mit der gesperrten Adresse von Frau Başay-Yıldız ist unverantwortlich«, kritisierte Schaus. Obwohl die Akten des Lübcke-Untersuchungsausschusses zahlreiche Schwärzungen, etwa von V-Leuten des Verfassungsschutzes, aufweisen, werde dieser Maßstab selbst nach dem Hinweis der Linksfraktion nicht für Frau Başay-Yıldız und ihre Familie angewandt.

Schaus fügte hinzu, dass es »irritierend« sei, wie viele verschiedene Stellen innerhalb der Polizei Zugang zu der gesperrten Privatadresse wie auch zu der Adresse des Kindergartens der Tochter gehabt haben. Die »FR« berichtet, dass laut Akten mindestens zehn Personen oder Stellen E-Mails mit den Daten verschickt hatten.

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