Prekarisierten Gehör verschaffen

»Wir kommen wählen« schafft Begegnungen im Superwahljahr

  • Lola Zeller
  • Lesedauer: 4 Min.

»Politik ist ein Thema, das uns alle angeht. Deshalb ist es wichtig, Begegnungen zu schaffen zwischen Politiker*innen und den Menschen der Stadt«, sagt Kirstin Wulf, Leiterin der Geschäftsstelle der Landesarmutskonferenz (LAK) zu »nd«. Nicht zum ersten Mal organisiert diese die Initiative »Wir kommen wählen«. Menschen, die sich von der Politik alleingelassen fühlen. Sie sollen die Kandidat*innen kennenlernen können. Auf der anderen Seite sei es ein Anliegen der LAK, Politiker*innen im direkten Gespräch für prekäre Lebens- und Arbeitsbedingungen und Armut in der Stadt zu sensibilisieren, so Wulf.

Vor den Wahlen Ende September laden deshalb soziale Einrichtungen wie Kiezläden, Wohnungslosentagesstätten oder Hilfswerke einzelne lokale Politiker*innen ein, damit die Teilnehmenden in kleinen Runden Fragen stellen und den Entscheidungsträger*innen Erfahrungen mitteilen können. »Es ist zwar Superwahljahr in Berlin, aber wir konzentrieren uns auf die Wahlen zum Abgeordnetenhaus und zu den Bezirksverordnetenversammlungen«, erklärt Kirstin Wulf.

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Die Initiative gibt es seit 2011. »Demokratie und soziale Fragen hängen zusammen. Aber die Wahlbeteiligung und das Interesse an Politik steigen nicht unbedingt, wenn es um das Thema Armut geht«, so Wulf. Es sei schwierig für Menschen, die über einen langen Zeitraum mit wenig Geld auskommen müssen, teilzuhaben am gesellschaftlichen politischen Alltag und dort ihre Bedarfe mitzuteilen, sagt sie. Deshalb sollen die Politiker*innen an Orte kommen, wo sich die Menschen sowieso schon aufhalten.

Konkrete eigene Probleme schildern

Zum Beispiel in der Wohnungslosentagesstätte »Warmer Otto« in Moabit. Hier habe »Wir kommen wählen« jedes Jahr stattgefunden, sagt Karsten Krull, der bis letztes Jahr dort in der Wohnungslosenhilfe aktiv war. »Gerade für unsere Gäste, die nicht so viel mit Politik zu tun haben oder sich nicht ins politische Geschäft einmischen, war das immer eine gute Möglichkeit, in Kontakt zu kommen«, sagt er. In den Gesprächsrunden habe es die Möglichkeit gegeben, Fragen zu stellen, die sonst weniger gehört werden und mehr Praxisbezug haben, als es in politischen Runden üblich sei. »Andererseits haben auch Politiker mal die andere Seite kennengelernt. Ich habe den Eindruck, dass nicht so oft Politiker mit Menschen, die wirklich von Armut betroffen sind, zusammenkommen - vor allem in dieser Nähe«, so Krull.

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Dieses Jahr ist eine Veranstaltung für Anfang September geplant, so Krull. »Das Gute ist, dass die Menschen mit der Umgebung vertraut sind. Wenn irgendeine Partei das woanders anbieten würde, würden die da nie hingehen«, sagt Krull. Die Pandemiebedingungen hatten die Planung deutlich erschwert, weil es für die Gäste der Wohnungslosentagesstätte keine Option sei, digital teilzunehmen. Deshalb plane man eine Präsenzveranstaltung und ziehe höchstens in Erwägung, die Politiker*innen digital dazuzuschalten.

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Die wechselnden Coronaregeln seien auch der Grund dafür, warum die Initiative jetzt erst anlaufe, erklärt Kirstin Wulf. Um trotzdem die Inhalte der zur Wahl antretenden Parteien zu vermitteln, hat die LAK ein Faltblatt erstellt - mit den grundsätzlichen Positionen und Zielen einzelner Parteien zu sozialen Themen wie Arbeitslosigkeit und Existenzsicherung, Armut und Ausgrenzung, Familie, Bildung und Gesundheit.

Digitales Treffen für Beschäftigte

Am kommenden Montag findet die erste Veranstaltung komplett digital statt und ist auch inhaltlich eine Neuheit. Denn auf Einladung des Berufsverbandes Soziale Arbeit kommen Sozialarbeitende mit den Abgeordneten von Linke, Grünen, SPD, CDU und FDP zusammen, um über die Rahmenbedingungen von Sozialer Arbeit in Berlin zu sprechen. »Das Ziel ist, dass die Politiker*innen uns zuhören«, erklärt Hannes Wolf vom Berufsverband.

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