Illegale Abschiebungen

Im Umgang mit Flüchtlingen verfährt Spanien widersprüchlich

  • Ralf Streck, San Sebastián
  • Lesedauer: 3 Min.

Ein Gericht nach dem anderen nimmt die Politik des Innenministeriums in Madrid auseinander. Mit Erlaubnis und auf Anordnung der Behörde hatte man in der spanischen Exklave an der nordafrikanischen Küste Ceuta mit Massenabschiebungen von Minderjährigen begonnen. Diese wurden zunächst durch ein lokales Gericht in Ceuta gestoppt, da nötige Einzelfallprüfungen nicht durchgeführt worden waren. Diese Rechtsauffassung hat am Mittwoch der Nationale Gerichtshof von Spanien bestätigt. Damit kommt die sozialdemokratische Regierung von Pedro Sánchez unter Druck, vor allem aber sein Innenminister Fernando Grande-Marlaska.

Dass ein Rückführungsabkommen zwischen Marokko und Spanien aus dem Jahr 2007 die Rechte von unbegleiteten Minderjährigen einschränkt, hatten zuvor schon der Ombudsmann und die Staatsanwaltschaft verneint. Auf Antrag von Menschenrechtsorganisationen hatte sich unlängst auch das UN-Komitee für Kinderrechte eingeschaltet und gefordert, diese Abschiebungen zu stoppen. Die NGO hatten kritisiert, dass den Minderjährigen eine Rechtsberatung verweigert worden war. Das bestätigte auch die Anwaltskammer in Ceuta. Bei mindestens 45 jungen Marokkanern, die abgeschoben wurden, war keine Einzelfallprüfung erfolgt, wie sie das Gesetz vorsieht.

Der ohnehin umstrittene Innenminister Grande-Marlaska kommt in diesem Zusammenhang in die Bredouille, weil er einer Lüge überführt wurde. Der Hardliner hatte bestritten, dass es eine entsprechende Anweisung aus seinem Haus an die Regionalregierung gegeben habe. Doch dann veröffentlichte die Zeitung »El Confidencial« eine E-Mail vom 10. August, die vom Innenministerium an die zuständigen Stellen in Ceuta ging und Grande-Marlaska widerlegt. In der Anweisung zur »Rückführung von Minderjährigen« wird auf das Abkommen mit Marokko von 2007 Bezug genommen. Die von der rechtskonservativen Volkspartei (PP) regierte Exklave hatte die Massenabschiebungen beim Innenministerium in Madrid beantragt.

Ceuta will noch etwa 1100 Minderjährige loswerden, die sich seit Mitte Mai dort aufhalten. Damals hatte Marokko die Grenze kurzfristig geöffnet, um Spanien und die EU wegen deren Position zur von Marokko illegal besetzten Westsahara abzustrafen. Dem autokratischen marokkanischen König passte es insbesondere nicht, dass der Chef der Westsahara-Befreiungsfront Polisario in einem spanischen Krankenhaus behandelt wurde und Deutschland weiter auf eine Lösung des Westsahara-Konflikts durch ein von der UNO überwachtes Referendum setzt. Der damalige US-Präsident Donald Trump hatte zuvor eigenmächtig die Souveränität Marokkos über die Westsahara anerkannt.

Der Skandal um den Innenminister sorgt für neue Spannungen zwischen den Sozialdemokraten (PSOE) von Sánchez und dem linken Koalitionspartner »Unidas Podemos« (UP). UP-Anführerin und Vize-Ministerpräsidentin Yolanda Díaz forderte Sánchez in einem Brief dazu auf, zu intervenieren und die rechtswidrigen Abschiebungen zu stoppen. Das machte die UP-Sekretärin Lilith Vestrynge während eines Radiointerviews öffentlich. Auch in der PSOE, ist aus Parteikreisen zu hören, ist man frustriert über den Innenminister und ehemaligen Ermittlungsrichter, der von der PP einst auf einen Richterposten im Nationalen Gerichtshof gehoben worden war.

In der PSOE hatte man bisher großzügig darüber hinweggesehen, dass Grande-Marlaska derjenige ist, der als Ermittlungsrichter in der großen Mehrzahl der Fälle Foltervorgänge nicht untersucht hat, für die Spanien dann vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte verurteilt wurde. Doch das die »progressive Regierung« nun wegen der Verletzung der Menschenrechte von Kindern und Jugendlichen am Pranger steht, sehen viele in der Partei als schwerwiegend an. Die Vorgänge bilden einen harten Kontrast zu dem Bild, das Spanien international von sich zeichnen will. So hatte gerade der Außenbeauftragte der EU, Josep Borrell, für Spanien angeboten, alle Flüchtlinge aus Afghanistan zunächst in dem iberischen Land aufzunehmen, um sie danach in der EU umzuverteilen.

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