Laschets ordnende Hand

Nathanael Liminski gilt als katholischer Hardliner. Doch dieses Bild stimmt nur teilweise

In Pressegesprächen spricht er wie gedruckt. Kein falsches Wort kommt ihm über die Lippen, kein Zögern, keine Unsicherheiten. Nathanael Liminski ist seit 2017 Leiter der nordrhein-westfälischen Staatskanzlei. 31 Jahre war er damals alt. Der jüngste Chef einer Staatskanzlei. Ein Wagnis von Armin Laschet, dachten viele Beobachter. Sie haben sich getäuscht.

Liminski regelt im Hintergrund und sorgt dafür, dass der Ministerpräsident ungestört regieren kann. Das ging gut, bis vor einigen Monaten der Mann im Hintergrund des CDU-Kanzlerkandidaten für bundesweite Medien interessant wurde. Denn Liminski hat eine schillernde Vorgeschichte. Im Nachgang des Weltjugendtags der katholischen Kirche 2005 in Köln gründete er den Papst-Fanclub »Generation Benedikt«. Darin versammelten sich zwölf junge Katholiken, die sich einmischen und kirchenkonforme Antworten auf das Leben geben wollten. Liminski fungierte als Sprecher der Gruppe, trat in Talkshows auf und gab Interviews. Dabei äußerte er sich oftmals befremdlich. Sex vor der Ehe? Ein No-Go. Für Homosexuelle bekundete er Mitleid. In Anlehnung an die »Wir haben abgetrieben« Aktion von 1971 initiierte Liminskis Gruppe eine Aktion »Ich tus nicht«, in der sich »junge Frauen« zu ihrer »natürlichen Begabung zur Mutterschaft« bekannten. Also allerlei ziemlich aus der Zeit gefallener Katholizismus. Dazu kommt noch der familiäre Hintergrund von Liminski. Sein im Juni verstorbener Vater Jürgen war Journalist. Er schrieb auch für die neurechte »Junge Freiheit«, war Opus-Dei-Mitglied und machte sich vor allem für ein konservatives Familienbild stark. Nathanael wuchs mit neun Geschwistern auf. Seine Eltern sahen ihre kinderreiche Familie, auch in einer Buchveröffentlichung, als gesellschaftliches Vorbild.

Armin Laschet, der in seiner Heimat vom katholischen Netzwerk seiner Frau profitierte, wird also von einem demokratiefeindlichen und extremen Katholiken beraten. Ein Bild, das passen wollte und das zuletzt sogar in einem Videoclip der SPD propagiert wurde, in dem diese vor dem »erzkatholischen Laschet-Vertrauten« warnte. So einfach ist es allerdings nicht. Von seinen Äußerungen gegen Homosexuelle hat sich Liminski mittlerweile distanziert. »Für die soziale Stabilität einer Gesellschaft ist wichtig, dass Menschen in einer Partnerschaft verbindlich und verlässlich füreinander Verantwortung übernehmen – das gilt selbstverständlich unabhängig von ihrem Geschlecht«, sagte er der »Süddeutschen Zeitung«. Das ist immer noch konservativ, aber längst nicht mehr so reaktionär wie seine alten Äußerungen. Allgemein scheint Liminski, der heute kaum noch in der Öffentlichkeit über seine eigenen Positionen spricht, sich nicht mehr zu kirchlichen Fragen positionieren wollen. Einen Unterstützungsappell für Kölns Kardinal Rainer Maria Woelki, der wegen mangelnder Aufklärung sexualisierter Gewalt in die Kritik geraten ist, unterschrieben Liminskis Eltern und einer seiner Brüder.

Nathanael Liminski ist in den letzten Jahren vor allem politisch in Erscheinung getreten und hat eine durchaus beeindruckende Vita für sein Alter. Als Roland Koch noch hessischer Ministerpräsident war, wurde Liminski sein Redenschreiber. Danach folgten Stationen bei Ursula von der Leyen und Thomas de Maizière im Verteidigungs- und Innenministerium. Nebenbei fungierte er als Chefredakteur des Mitgliedermagazins der Jungen Union. Seine Beiträge dort waren CDU-Mainstream. 2015 argumentierte er gegen »generelles Misstrauen« gegenüber Geflüchteten und erklärte: »Willkommenskultur« heiße nicht, jedem »herein« zu sagen. »Hallo« sagen, sei aber das Mindeste. Armin Laschet konnte Liminski 2014 nur mit großer Mühe überzeugen, die Geschäfte der CDU-Fraktion im Düsseldorfer Landtag zu führen. Die Karriere in Berlin gefiel dem CDU-Aufsteiger. Aber das Projekt, gemeinsam mit Laschet die rot-grüne Regierung abzulösen, soll ihm gefallen haben. Seitdem Liminski für die NRW-CDU aktiv ist, soll er Ordnung gebracht haben in einen Landesverband, der lange als zerstritten galt. Laschet hat den Ruf, zuweilen schlampig zu sein. Als Lehrbeauftragter in Aachen verlor er Klausuren seiner Studierenden und »rekonstruierte« Noten aus seinen Aufzeichnungen. Auch Akten zu lesen, gilt nicht als Lieblingsbeschäftigung von Laschet. Liminski soll ihn dazu gebracht haben, heißt es aus dem Umfeld der Düsseldorfer CDU-Fraktion. Liminski sei es auch, der Laschet, der eher sprunghaft ist, dazu bringt, seine Gedanken zu ordnen. Ohne den Chef der Staatskanzlei würden wohl mehr Auftritte von Laschet missglücken. Liminski bereitet Reden und Statements detailliert vor. Unsicherheiten und Aussetzer zeigt Laschet meist erst, wenn er spontan reagieren muss. Sollte Laschet Kanzler werden, gilt es als ausgemachte Sache, dass Liminski nach Berlin mitkommt. Nach der Staatskanzlei könnte er dann das Bundeskanzleramt führen.

Droht Deutschland dann zum Ableger des Vatikanstaats zu mutieren? Vermutlich nicht. Dafür ist Liminski zu sehr Politikprofi. In der Laschet-Biographie »Der Machtmenschliche« gibt es einen langen Abschnitt über Liminski. Darin sagt er, dass er hoffe, dass sich Menschen ein Bild über ihn machen, ihn nicht über seinen Vater definieren. Darin ist auch zu lesen, dass er mit dem schwulen Gesundheitsminister Jens Spahn eng befreundet ist. Die größte Gefahr, die von Liminski ausgeht, ist wohl die, dass er einen Politiker wie Laschet ins Kanzleramt hieven kann, weil er strategisch denkt, Medien versteht und Bündnisse schmieden kann.

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