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Ab durch die Mitte

Die deutschen Volleyballerinnen überzeugen bei der EM, weil sie endlich auf lange ignorierte Angriffsoptionen setzen

Der Plan war ein anderer, doch Felix Koslowski freut sich, dass er nicht aufgegangen ist. Eigentlich wollten die deutschen Volleyballerinnen in ihrer EM-Vorrundengruppe mindestens Platz zwei erreichen, um wenigstens im Achtelfinale den schweren Gegnerinnen aus dem Weg zu gehen. Obwohl sie dann wie auch Polen und Bulgarien viermal gewannen und nur einmal verloren, wurde es aber nur Rang drei. Und so trifft das deutsche Team bei der Europameisterschaft in Plowdiw nun doch schon an diesem Sonnabend auf die wohl ebenbürtigen Niederländerinnen. Bundestrainer Koslowski findet das plötzlich aber richtig gut: »Vor allem wollten wir den Türkinnen aus dem Weg gehen: Durch Platz drei spielen wir jetzt sogar frühestens im Halbfinale gegen sie. Dafür haben wir schon im Achtelfinale ein schweres Spiel. Ich mag das aber so. Lieber gleich mit einem gutem Gegner weitermachen. Da bleibt die Spannung hoch.«

Eine der Stützen seines Teams bestätigt das. »Die Anspannung wird definitiv höher sein, als wenn wir jetzt gegen die Ukraine spielen müssten, denn gegen die Niederlande ist es immer aufregend«, sagt Camilla Weitzel. »Natürlich ist das eine Hausnummer. Aber wenn wir da siegen, haben wir mental fürs weitere Turnier eine sehr gute Ausgangslage. Denn dann ist der erste Brocken aus dem Weg.« Angst vor einem frühen Scheitern lässt auch sie keine erkennen, dafür lief es in der ersten EM-Woche auch viel zu gut. Der 1:3-Auftaktniederlage gegen die mitfavorisierten Polinnen folgten vier Erfolge, darunter ein 3:2 gegen die Gastgeberinnen aus Bulgarien.

Erster Höhepunkt gegen Gastgeberinnen

»Wir hatten einen Start mit drei sehr schwierigen Spielen. Gegen Polen waren wir noch nicht so im Rhythmus wie erhofft. Wir brauchten noch ein paar Tage, um uns an die Halle zu gewöhnen«, bilanziert Koslowski die Vorrunde. »Wir wollten uns aber von Anfang an über die Vorrunde hinweg weiterentwickeln. Und genau das ist uns gelungen. In Angriff, Annahme, Aufschlag, Block: überall haben wir sehr gute statistische Werte.«

Der Höhepunkt war die Partie gegen Bulgarien. »Beide Teams haben da wirklich guten Volleyball gezeigt, und das in einer Atmosphäre, die für uns sehr ungewohnt war.« Der Trainer meint damit die »etwas zurückhaltenderen« Corona-Beschränkungen im Kolodrum zu Plowdiw. Tatsächlich hielten die frenetischen bulgarischen Fans untereinander keine Abstände ein oder ihre Masken auf der Nase.

Dennoch setzten sich Mittelblockerin Weitzel und Co. im Tiebreak durch. »Wir wollten uns nach der Niederlage am Anfang verbessern, und das haben wir gegen Bulgarien gezeigt«, sagt sie, ohne sich selbst zu sehr in den Vordergrund zu stellen. Dabei hat die 21-jährige gebürtige Hamburgerin einen großen Anteil an den starken deutschen Leistungen. Weitzel wurde in jedem Spiel eingesetzt und besticht, wenn schon nicht mit den meisten Punkten, dann aber doch mit einer hohen Effizienz. Mehr als die Hälfte ihrer Angriffsschläge verwandelt sie direkt zu einem Punkt. Ähnlich gute Werte verzeichnet nur Marie Schölzl. Die drei Jahre ältere zweite Mittelblockerin wird jedoch seltener von den Mitspielerinnen gesucht und angespielt als Weitzel. In dem größeren Fokus auf die Position in der Mitte am Netz liegt jedenfalls ein Geheimnis des bisherigen Erfolgs der Deutschen.

Harte Trainingsarbeit zahlt sich aus

Schon bei den Olympischen Spielen in Tokio, die Deutschland ganz knapp verpasst hatte, zeigte sich, dass sich die Frauen in diesem Segment den Männern langsam anpassen. Mittelblockerinnen werden immer häufiger in die Angriffe eingebunden. Sind sie dabei erfolgreich, ist das gesamte Angriffspiel für die Gegnerinnen in Block und Abwehr viel schwieriger zu lesen, als wenn man sich nur auf die Außenangreiferinnen konzentrieren muss. »Das Spiel über die Mitte wird immer wichtiger. Deswegen setze ich auch bewusst Spielerinnen ein, die den gegnerischen Aufschlag mit ihrer Annahme sehr stabil nach vorn ans Netz bringen. Nur dann haben wir die Möglichkeit, ein schnelles Spiel aufzuziehen: über die Mitte oder die Außenpositionen. Daran haben wir in diesem Sommer extrem viel gearbeitet«, sagt Bundestrainer Koslowski. »Um erfolgreicher als zuletzt in der Nations League zu sein, brauchen wir Tempo und Effizienz über die Mitte.«

Camilla Weitzel hat jetzt also noch mehr zu tun. Sie muss nicht nur an jeden Block, sondern nun auch jeden Angriff mitlaufen. Beschwerden äußert sie darüber nicht: »Natürlich freuen wir Mittelblockerinnen uns, wenn wir auch im Angriff mehr eingesetzt werden. Und anstrengend ist es sowieso immer«, sagt die 1,95 Meter große Athletin, die im Frühjahr mit dem Dresdner SC erstmals deutsche Meisterin wurde, in der kommenden Saison aber den Sprung ins Ausland wagt und ins italienische Chieri wechselt.

Vorher will sie noch ihre erste Medaille mit dem Nationalteam gewinnen. Dafür müssen erst einmal die Niederländerinnen bezwungen werden. Dass das möglich ist, zeigten die Siege in den letzten beiden direkten Duellen, einmal in der Olympiaqualifikation und dann in der Nations League. »Wir alle wissen, was mit Holland auf uns zukommt, aber wir alle wissen auch, dass wir sie schlagen können«, erinnert Bundestrainer Koslowski gern an die jüngsten Erfolge.

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