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Die Lücke bleibt zu groß

Deutschlands Volleyballern gelingt auch bei der EM nicht der Sprung an die Spitze

Andrea Giani hatte gewusst, was auf seine Mannschaft zukommen würde. Es gibt keine andere Nationalmannschaft außer der eigenen, mit der sich der Volleyball-Bundestrainer mehr beschäftigt als mit der seines Heimatlandes Italien. »Sie haben einige Spieler, die ich selbst im Verein trainiert habe«, hatte Giani vor dem EM-Viertelfinale am Mittwochabend in Ostrava gesagt. »Italien spielt immer gut, aber seit der Ankunft des neuen Trainers Ferdinando De Giorgi gehen sie noch mal ganz anders mit dem Ball um. Sie machen extrem wenige Fehler.« Giani sollte mit der Prognose recht behalten, jedoch keine Lösung dafür finden, die Fehlerzahl des deutschen Teams auf ein ähnlich niedriges Niveau zu senken. Am Ende stand ein klares 0:3.

Zu stark waren die Gegner, zu groß der Abstand. Dabei hatte Giani sein Team viel weiter in seiner Entwicklung gesehen. »Insgesamt bin ich mit dem Turnier recht zufrieden. Wir wollten mindestens ins Viertelfinale kommen. Mich freut auch die Qualität, die wir gezeigt haben. Alle Spieler haben der Mannschaft geholfen«, zog der Italiener ein positives EM-Fazit. Es fiel ihm sichtlich schwer einzugestehen, dass die Weltspitze weiterhin ein ganzes Stück voraus ist. »Unser Ziel im Sommer war, dass wir einen Schritt näher an die Mannschaften da oben ran kommen. Ich glaube, den haben wir gemacht. Aber das Spiel heute hat gezeigt, dass wir noch etwas drauflegen müssen, um auch solche Duelle zu gewinnen.«

In seiner knapp fünfjährigen Amtszeit hat der ehemalige Weltklassespieler den erforderlichen Generationenwechsel zwar eingeleitet, aber nie konsequent durchgezogen. In der unbedeutenden Nations League experimentiert Giani mit jungen Spielern, setzt in großen Turnieren aber lieber auf die älteren Stars wie Hauptangreifer Georg Grozer (36) oder Zuspieler Lukas Kampa (34). Das ist verständlich, schließlich wollte Giani mit seinem Team zu Olympia und verpasste die Qualifikation erst im letzten Spiel. Auch bei der EM sollte mehr rauskommen als der 13. Platz zuletzt in der Nations League.

So gehen jungen Ersatzspielern in der zweiten Reihe allerdings wichtige Erfahrungen verloren. Zuspieler Jan Zimmermann führte nach dem Ausfall Kampas das Team zwar solide durchs Turnier, doch ihm fehlen Präzision und Kreativität, um einen starken Block wie den italienischen auszuspielen. Im ersten Satz des Viertelfinals fiel dann auch noch Grozer mit Kniebeschwerden aus. Der 21-jährige Linus Weber ist zwar athletisch schon weit, aber in schwierigen Situationen findet er nicht annähernd mit solch hoher Quote eine Lösung im Angriff wie Grozer. »Es war eine Chance für Linus, in einem wichtigen Spiel zu zeigen, was er kann. Das braucht er, um uns in Zukunft zu tragen«, sagte Giani. Es stellt sich die Frage, warum er ihn dann nicht von Anfang an aufgestellt hatte. Auch dass er lieber auf den 31-jährigen Außenangreifer Denys Kaliberda anstelle jüngerer Alternativen setzte, zeigt entweder, dass es der zweiten Reihe noch immer an Qualität fehlt oder dass Giani nicht bereit ist, ihnen in großen Spielen zu vertrauen. Zum Vergleich: Alle Italiener, die am Mittwoch auf dem Feld standen, sind jünger als 30.

Der Deutsche Volleyball-Verband (DVV) blickt bei seinen Hallenteams ohne Olympiateilnahmen und nach dem Aus der Frauen im EM-Achtelfinale auf einen enttäuschenden Sommer zurück. Nun muss er entscheiden, ob er Giani eine dritte Chance gibt. Der Italiener hatte einst die Slowenen in die Weltspitze geführt, in Deutschland gelingt ihm das kaum. Sein 2020 auslaufender Vertrag war im Januar um ein Jahr verlängert worden. Der große Fortschritt blieb aber auch diesmal aus. Giani meint, den gebe es. »Es ärgert mich, dass wir das, was wir uns erarbeitet haben, nicht abrufen konnten«, sagte er. Dabei scheint es seit dem überraschenden EM-Silber 2017 eher rückwärts zu gehen.

DVV-Sportdirektor Christian Dünnes teilte dennoch Gianis positive Turnierbilanz: »Das Team hat gute Leistungen gezeigt, viel mehr ist zum jetzigen Zeitpunkt nicht drin.« Etwas erstaunt über den schnellen Wandel beim Gegner fügte er aber hinzu: »Italiens Mannschaft hat nach Olympia bereits einen Umbruch eingeleitet, ohne dafür große Qualität einzubüßen. Das ist beneidens- und beachtenswert. Auch wir haben junge Spieler, die noch viel Potenzial haben und im richtigen Umfeld ganz sicher noch Schritte nach vorne machen können.« Ob dazu auch Andrea Giani gehören wird, sagte Dünnes nicht.

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