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Manchmal mit dem Vorschlaghammer
»Hinterland« ist ein Film von überaus großem Reiz, krankt aber an manchen Stellen an Genreproblemen
Das Wien der Zwanzigerjahre des letzten Jahrhunderts sieht in diesem Film aus wie gemalt und ist es in gewisser Weise auch. Eine digital erstellte Stadt, die Häuser und Treppen schief, die Gassen schwarze Löcher, das Licht künstlich und kalt. »Hinterland« baut für seinen kaputten Helden eine dunkelschöne Welt, die ästhetische Versatzstücke des Expressionismus des Weimarer Kinos aufnimmt, auch in dem Sinne, dass die Architekturbilder hier immer Seelenbilder sein sollen.
Nicht nur ist diese Welt buchstäblich aus der Fassung geraten, auch die Figuren sind schief in sie hineingestellt. Peter Perg (Murathan Muslu) kommt nach zwei Jahren russischer Kriegsgefangenschaft zurück in seine Heimatstadt. Bevor er 1914 patriotisch entflammt in den Krieg gezogen ist, war er Polizist. Jetzt empfiehlt der ehemalige Vorgesetzte ihm und den übrigen heimgekehrten Kameraden den Weg ins Obdachlosenheim. Für solche wie sie sei in der neuen Republik kein Platz mehr.
Perg irrt ziellos umher, traut sich nicht zu Frau und Kind zurück, beschämt und gebrochen, wie er ist. Bald aber gibt die Gewalt dem Leben wieder Struktur, ein Serienmörder geht um und foltert zurückgekehrte Soldaten brachial zu Tode. Was »Hinterland« dann gerne und mit unverhohlener Lust zeigt. Der Plot hakt von da an vertraute Genremomente ab: eine Affäre mit einer Ärztin, Konflikte mit den Vorgesetzten, Familienbande, ein Whodunit, dessen Auflösung man nach einer knappen Stunde recht treffsicher erahnen kann.
Die filmästhetische Überdeutlichkeit von »Hinterland« ist sehr reizvoll. Es sieht alles sehr schön aus, gerade auf der großen Leinwand, in all seiner Sterilität, die eigentlich forciert dreckig sein möchte. Auf der Erzählebene wird diese Überdeutlichkeit dann allerdings eher unerfreulich. Da krankt der filmästhetisch innovative Film an den eingefleischten Problemen des deutschsprachigen Genrekinos: Alles muss im Dialog so explizit wie möglich ausgesprochen werden, damit niemand verpasst, worum es gerade genau geht. Sätze wie: »Er ist auf eine perverse Weise eitel, er schafft Tableaus des Todes«, oder: »Es mag Notlagen geben, die Menschen zwingen, Grauenvolles zu tun« klingen schon über die Maßen hüftsteif, und das tut einem Film, der innovativ und transgressiv sein möchte, nicht gut.
»Hinterland« scheint sich allerdings nicht ganz klar darüber zu sein, ob er die Wahrnehmung seines Helden, er sei mit der Rückkehr aus der Kriegsgefangenschaft und in die Republik von einer Hölle in die nächste geraten, teilt oder nicht. Man kann die wirklich schon bräsig-klischierte Darstellung einer schwulen Figur noch gerade so wohlwollend als Inszenierung einer inneren Wahrnehmung verstehen - schließlich insistiert jede Einstellung darauf, dass wir uns hier im Modus des filmischen Expressionismus bewegen. Am Ende sind die Soldaten auch von außen betrachtet doch wieder die ersten und letzten Opfer.
Das ist aber auch nicht allzu dramatisch, schließlich politisiert man mit so einer Lesart einen Film, der, bei allem bedeutsam-eingedunkelten Zeitkolorit, dann doch nicht mehr sein will als ein effektiver, reißerischer Thriller. Und es ist ja überhaupt schön, weil selten genug, wenn man auch im deutschsprachigen Kino Genrefilme findet, die vor den eigenen Geschmacklosigkeiten nicht zurückschrecken und auch mal mit dem Vorschlaghammer operieren. Man hätte der schönen Kulisse nur eine etwas weniger reißbretthafte Geschichte gewünscht.
»Hinterland«: Österreich/Luxemburg/ Belgien/Deutschland 2021. Regie: Stefan Ruzowitzky. Mit: Murathan Muslu, Liv Lisa Fries, Maximilian von der Groeben, 98 Minuten. Start: 7. Oktober.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
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