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Wenn alles wegbricht und man in einem Strudel fortgerissen wird ...

  • Lesedauer: 2 Min.

Gibt es Unterschiede zwischen männlichen und weiblichen Regisseuren? Ja. Die Arbeiten aus Hirn und Hand von Frauen sind oftmals vielschichtiger, sensibler, emotionaler, nachdenklicher, blickgenauer. Explizit wird dies in dem anzuzeigenden Band nicht behauptet. Aber wer auch nur einige Filme der hier vorgestellten ostdeutschen Regisseurinnen gesehen hat, wird dem zustimmen. Die Publikation will Gedanken, Überzeugungen, Blicke »jenseits des dominanten Narrativs der deutschen Wiedervereinigung« offerieren und damit eine Leerstelle in der Filmgeschichtsschreibung füllen. Werke von ostdeutschen Filmemachern und -macherinnen werden nach wie vor wenig beachtet.

Therese Koppe stellt die 1947 in Zwickau geborene Helke Misselwitz vor, die zu den wichtigsten Regisseurinnen der letzten Defa-Generation gehörte und mit ihrem wohl bekanntesten Film »Winter adé« den Mauerfall 1988 antizipierte, den sie dann ungläubig während einer Tour durch die USA via Fernsehbilder erlebte. Den schier irrealen Schwebezustand der DDR-Bürger zwischen Traum und Wirklichkeit, Utopien und brutaler Wirklichkeit verewigte Petra Tschörtner in »Berlin - Prenzlauer Berg«. Die DDR ist noch und ist auch nicht. »Es ist der Versuch, etwas von dieser Zwischenzeit kurz vor dem Verschwinden festzuhalten, und zugleich ist es schon Erinnerung«, bemerkt Hilde Hoffmann.

Die Lage der ebenso vom Umbruch in der DDR und der überstürzt folgenden deutschen Vereinigung betroffenen Vertragsarbeiter*innen problematisierte Angelika Nguyen in »Maikäfer flieg«. »Sie kamen aus einem Sozialismus der südlichen Halbkugel, aus jungen, gerade erst unabhängig gewordenen, von kolonialer Ausbeutung und Krieg geschlagenen Ländern, deren inoffizieller Name in keiner Weltkarte verzeichnet war, er hieß: Bruderland«, schreibt die Regisseurin und konstatiert, dass bereits ab Ende 1989 für Menschen, die nicht weiß waren, auch in Ostdeutschland Unsicherheit und Ängste wuchsen.

Natürlich fehlt in diesem Band auch nicht eine Hommage auf den Sänger und Baggerfahrer Gerhard Gundermann, einst »Bob Dylan des Tagebaus« genannt und inzwischen zu einer Popikone avanciert. Grit Lemke schildert ihre Erlebnisse, Eindrücke und Emotionen, als sie mit Sven Kulik ihren Film »Gundermann Revier« zusammenschnitt: »Hier nun begegnete ich dem Gefühl, dass alles wegbricht und man in einem Strudel fortgerissen wird. Wenn man im Osten die Jahre 1989/90 erlebt hat, kennt man das.« In der Tat. ves

Internationales Frauenfilmfest Dortmund/Köln (Hg.):
Was wir filmten. Filme von ostdeutschen Regisseurinnen nach 1990. Bertz + Fischer, 208 S., br., 18 €.

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