Der Wandelbare

Welche seiner widersprüchlichen Erfahrungen wird Gesundheitsminister Karl Lauterbach in sein neues Amt einbringen?

Der neue Gesundheitsminister Karl W. Lauterbach (SPD) dürfte den meisten als unermüdlicher, manchmal schon enervierender Kommentator des Corona-Themas bekannt sein. An die Zeit vor der Pandemie erinnern sich insbesondere Politiker. Da der aus Düren in Nordrhein-Westfalen gebürtige Mediziner aber schon seit jeher ein Faible für die eigene Sichtbarkeit in den Medien hatte, fällt das nicht allzu schwer. Unter anderem seitens der Linken im Bundestag war nicht zu übersehen, dass Lauterbach in seiner Zeit im Gesundheitsausschuss des hohen Hauses (2009 bis 2013) kaum durch dauerhafte und pünktliche Anwesenheit glänzte. Oft hätte er Verspätungen oder ein frühzeitiges Verlassen eben mit Medienterminen erklärt.

Angesichts von Lauterbachs neuer Funktion interessanter sind jedoch seine Positionen zu Veränderungen im Gesundheitswesen, mit denen er sich in den nächsten vier Jahren nicht einfach nur auseinanderzusetzen hat: Er muss schlüssige Konzepte vorlegen und dafür in der Ampelkoalition Mehrheiten beschaffen.

Spannend dürfte sein, ob Lauterbach sein Votum für eine Bürgerversicherung aufrecht hält und wie eine Überleitung weg vom dualen System privater und gesetzlicher Kassen ausgestaltet wird. Medial wurde die Bürgerversicherung 2018 schon zum »Lebensprojekt« des Politikers erklärt. Trotz absehbaren Widerstandes der FDP gibt es angesichts wachsender Defizite in der gesetzlichen Krankenversicherung starke Argumente dafür, hier prinzipiell etwas zu ändern. Zudem hat Lauterbach bereits verkündet, dass es mit ihm keine Leistungskürzungen geben werde. Für die Finanzierung bleiben dann nicht viele Varianten: Höhere Zusatzbeiträge dürften insbesondere der eigenen Partei, der SPD, nicht gefallen, ebenso wenig andere Wege, die nur die gesetzlich Versicherten stärker belasten wie höhere Zuzahlungen zu Medikamenten und Therapien.

Eine weitere Großbaustelle wäre die Krankenhauslandschaft. Hier geht es um wohnortnahen Zugang für alle Bürger, um die Sicherung von Pflege- und ärztlichem Personal - und um nachhaltige Finanzierung. Als Gesundheitsökonom hatte sich Lauterbach in der Vergangenheit für weniger Krankenhäuser in Deutschland ausgesprochen, um »überflüssige Eingriffe« zu vermeiden und in den verbleibenden Kliniken höhere Qualität zu erreichen. Auch dabei ist die Frage, wie schnell und wirksam der nötige Wandel vollzogen werden kann - und in wessen Interesse. Der Koalitionsvertrag ist hier ungenau, eine dauerhafte zusätzliche Finanzspritze des Bundes, wie die Grünen wünschten, wird es nicht geben.

Von den Wurzeln her kann Lauterbach als Krankenhauslobbyist gelten: Er saß bis 2013 zwölf Jahre im Aufsichtsrat der Rhön-Klinikum AG. Sie war der erste börsennotierte Klinikkonzern in Deutschland, der durch die Übernahme öffentlicher Krankenhäuser expandierte, also um einen Privatisierungstreiber. Fachlich bringt der neue Gesundheitsminister sehr gute Voraussetzungen für den Job mit: Er absolvierte Studiengänge der Humanmedizin, Epidemiologe sowie Public Health und wirkte im Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen einige Jahre mit. Zugestanden wird ihm auch von Kritikern, dass kein Gesundheitsgesetz der letzten 20 Jahre ohne sein Zutun entstanden sei. Das sagt noch nichts darüber, ob ihm auch die erfolgreiche Leitung des Gesundheitsressorts gelingt.

Von der CDU zur SPD

»Ich finde es bemerkenswert, wie wandelbar Karl Lauterbach ist«, merkt Linken-Gesundheitspolitikerin Kathrin Vogler an. Der ließ etwa sein Studium an der Harvard Medical School von der CDU-nahen Konrad Adenauer Stiftung fördern, trat der CDU auch bei, um 2001 in die SPD zu wechseln. 2006 kritisierte er in seinem Buch »Der Zweiklassenstaat« Ungerechtigkeiten, die sich nicht nur im Bereich Gesundheit und Pflege, sondern auch in Bildung und Rente durch große Teile der staatlichen Ordnung ziehen. Bei aller Abgehobenheit, die ihm selbst in der SPD und im engeren politischen Umfeld angekreidet wird - eine bestimmte Art von Bodenhaftung kann man Lauterbach nicht absprechen: Seit 2005 zog er ohne Unterbrechung per Direktmandat aus dem Wahlkreis Leverkusen - Köln IV in den Bundestag ein.

Nicht Lauterbach allein wird entscheiden, was er aus diesen Erfahrungen macht. Wie jeder Gesundheitsminister hat er sich mit der starken und sehr heterogenen Lobby der Akteure in diesem Bereich auseinanderzusetzen. Zusätzlich stellte ihm die SPD zwei erfahrene Gesundheitspolitiker als parlamentarische Staatssekretäre zur Seite: Den bisherigen Vorsitzenden des Gesundheitsausschusses im Bundestag, Edgar Franke, und Sabine Dittmar, gesundheitspolitische Sprecherin ihrer Fraktion, seit 2013 im Bundestag. Beide dürften für einen großen Teil der inhaltlichen Arbeit sorgen, sind aber gleichzeitig nicht eben als Parteilinke bekannt.

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