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Verfassungsbeschwerde gegen neues Versammlungsgesetz angekündigt
Landtag in Düsseldorf beschließt umstrittenes Gesetz
Zum letzten Mal wurde am Mittwochnachmittag im Düsseldorfer Landtag über das neue Versammlungsgesetz für Nordrhein-Westfalen diskutiert. Im Januar hatte die Landesregierung einen ersten Gesetzentwurf veröffentlicht. Nach Kritik von Experten und zahlreichen Demonstrationen wurde dieser erstmal auf Eis gelegt. Anfang Dezember präsentierte die schwarz-gelbe Koalition einige Änderungen des Gesetzes, das dann schnell im Innenausschuss debattiert und am Mittwoch im Landtag abgestimmt wurde.
In der Landtagsdebatte wurden die Schwerpunkte der Regierungs- und Oppositionsparteien deutlich. Der CDU-Innenpolitiker Christos Katzidis wollte trotz »aller Bedeutung der Versammlungsfreiheit« darauf hinweisen, dass bei einem solchen Gesetz »die ordnungsrechtliche Dimension nicht vernachlässigt« werden dürfe. Der SPD-Entwurf für ein Versammlungsfreiheitsgesetz sei eine »Einladung an Störer und Extremisten«. Ähnlich argumentierte auch Marc Lürbke von der FDP. Wer eine Abschreckungswirkung durch das Gesetz erkenne, der stelle sich »vor die, die Versammlungen als Bühne von Gewalt nutzen«.
Die oppositionellen Sozialdemokraten und Grünen kritisierten das Gesetz. Als »abschreckend« bezeichnete die Grünen-Fraktionsvorsitzende Verena Schäffer die Möglichkeiten zur Videoüberwachung von Versammlungen. Auch stellte sie in Frage, dass ein unbegründetes, pauschales Verbot von Demonstrationen auf Autobahnen verfassungskonform sei. Das Gesetz sei »keine Sternstunde« für die »frühere Bürgerrechtspartei FDP«, so Schäffer. Die Fraktionschefin der Grünen kritisierte auch den Verlauf der Gesetzgebung. Die erste Fassung des Gesetzes war nicht im Landtag debattiert worden. Die Auswertung einer Expertenanhörung im Mai fand nur formal und erst Anfang Dezember statt. Schäffers Fazit: »Das Gesetz ist darauf ausgelegt, in jeder Versammlung eine Gefahr zu sehen.«
Ähnlich sieht es auch das Bündnis »Versammlungsgesetz NRW stoppen«. Sprecherin Gizem Koçkaya sieht in dem Gesetzgebungsverfahren ein Beispiel für ein »zweifelhaftes Demokratieverständnis« der Landesregierung. Nordrhein-Westfalen habe nun das»autoritärste und undemokratischste Versammlungsgesetz in der Bundesrepublik Deutschland«. Das will das Bündnis nicht hinnehmen und kündigte an, Verfassungsbeschwerde einlegen zu wollen. Teile des Gesetzes seien verfassungswidrig oder widersprächen der Rechtssprechung des Bundesverfassungsgerichts. Daran hätten auch die jüngsten Änderungen des Gesetzes nichts geändert. Im Hinblick auf die Landtagswahl im kommenden Frühjahr kündigte das Bündnis an, CDU und FDP immer wieder mit dem Gesetz konfrontieren zu wollen.
Michèle Winkler, politische Referentin des Grundrechtekomitees, erklärte gegenüber »nd«, warum sie das neue Gesetz ablehnt: »Das Grundrecht der Versammlungsfreiheit wird von allen Seiten eingeschnürt und grundrechtlich geschütztes Verhalten kriminalisierbar gemacht. Damit verliert die Versammlungsfreiheit ihren emanzipatorischen Charakter.« Winkler hält das Gesetz für einen »gefährlichen demokratischen Rückschritt« in einer Zeit, in der »Demokratieförderung und Beschränkung von Polizeibefugnissen« angebracht wären.
Von der Dortmunder »Autonome Antifa 170« gibt es Kritik an dem im Gesetz festgeschriebenen Störungsverbot. »Damit ermöglicht die schwarz-gelbe Landesregierung, dass Nazi-Demos in Zukunft möglichst ohne größeren Widerspruch stattfinden können«, so Kim Schmidt. Entschlossener und direkter Protest sei nötig um »rechten Inszenierungen« etwas entgegenzusetzen. Der Begründung der Landesregierung, mit dem Gesetz auch einen Beitrag im Kampf gegen Rechts zu leisten, wollen die Antifaschisten nicht glauben. Dieser müsse von der Gesellschaft aufgenommen werden. Wer sich auf Staat und Polizei verlasse, werde enttäuscht, heißt es seitens der Gruppe.
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