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  • »Der makedonische Offizier« von Andrej Platonow

Das rufende Herz

Hydrofizierung plus Sowjetmacht: Andrej Platonows Romanfragment »Der makedonische Offizier« liegt erstmals auf Deutsch vor

  • Jakob Hayner
  • Lesedauer: 4 Min.
Kommunistischer Vordenker und Kritiker Stalins: Andrej Platonow, 1938
Kommunistischer Vordenker und Kritiker Stalins: Andrej Platonow, 1938

Wer in den vergangenen Jahren aufmerksam die neomarxistischen Debatten vor allem im englischsprachigen Raum verfolgt hat, wird - möglicherweise mit einiger Verwunderung - immer wieder auf einen Namen gestoßen sein: Andrej Platonow. Von McKenzie Wark und Jodi Dean bis Alenka Zupančič und Slavoj Žižek wird der sowjetische Schriftsteller als kommunistischer Denker wieder ins Feld geführt.

Spaß und Verantwortung

Olga Hohmann versteht nicht, was Arbeit ist und versucht, es täglich herauszufinden. In ihrem ortlosen Office sitzend, erkundet sie ihre Biografie und amüsiert sich über die eigenen Neurosen. dasnd.de/hohmann

So verwunderlich ist diese Bezugnahme dann doch nicht: Der 1899 geborene Platonow war unter anderem ein Visionär des Ökosozialismus. Der Kommunismus müsse aus Licht erschaffen werden, forderte er, sein »photoelektromagnetischer Resonanztransformator« war eine Vorwegnahme der Solarzellen. Der Schriftsteller engagierte sich in Lenins Elektrifizierungskampagne, außerdem auch für die Hydrofizierung, also die Bewässerung von Wüstenregionen. Als Bewässerungsingenieur reiste er beispielsweise nach Kirgistan und Turkmenistan, dort traf er auf die große Wüste, die in seiner Erzählung »Der Takyr« und dem Roman »Dshan« aus den 1930er Jahren zum literarischen Motiv wurde.

In denselben Werkkreis darf man das nun auf Deutsch erschienene Romanfragment »Der makedonische Offizier« von 1936 - erstmals in den 1990er Jahren in Russland veröffentlicht - zählen. Der Bewässerungsingenieur Firs lebt in einem von hohen Gebirgen eingeschlossenen Wüstenreich namens Kutemalia unter der Herrschaft von Osni. Die Handlung ist in die Zeit Alexanders des Großen von Makedonien verlegt, für den der Hydrauliker spioniert. Eine Verbündete findet er in der rätselhaften Mondfrau Ophria.

Die Handlung, die abrupt abbricht, ist weit mehr als andere Werke Platonows allegorisch angelegt. Wüste und Wasser, Sonne und Mond, Herrschaft und Natur leiten durch den Text, der sich auch als Verarbeitung der Zeitumstände des Autors lesen lässt. Denn das Reich Osnis gleicht einer »Psychiatrie«, sowohl bei dem despotischen Herrscher wie den Beherrschten lassen sich verschiedenste Wahnzustände ausmachen. In der Figur des Herrschers Stalin und in der seines weisen Beraters Maxim Gorki als Vorbilder auszumachen, ist keineswegs abwegig. Doch darin erschöpft sich das Fragment nicht.

Platonow verhandelt abermals sein Lebensthema: den Stoffwechselprozess von Arbeit und Natur. Dass er mit Stalins Parole von der alles entscheidenden Technik nicht viel anfangen konnte, hat er in seinem Essay »Die sozialistische Tragödie« dargelegt. Platonow sah das Ganze der Natur, ihre eigene Dialektik. So stark man versucht, in sie einzudringen, so wird man auch zurückgestoßen. Wer nur auf technische Beherrschung setzt, den wird die Rache der Natur ereilen, die sich um solche Einseitigkeiten wenig schert. Besser also, man arrangiert sich mit ihr - was mit esoterischem Harmoniegetue allerdings rein gar nichts zu tun hat.

In »Der makedonische Offizier« wird angedeutet, dass ein neues gesellschaftliches Naturverhältnis errungen werden muss, sonst droht der Untergang. Doch fast noch interessanter als der Entwurf für eine Erzählung ist der in dem Band enthaltene Anhang, der Platonows Situation in der sowjetischen Literatur der 1930er Jahre schlaglichtartig beleuchtet.

Neben einem Nachwort des Übersetzers Michael Leetz und einem kurzen Text über einen Besuch bei Maxim Gorki findet sich das Protokoll eines Werkstattabends des Schriftstellerverbands der UdSSR aus dem Jahre 1932, in dem sich Platonow gegen »kulakische Tendenzen« und den Vorwurf des Anarchismus verteidigen muss (wie absurd der ist, zeigt ein Blick in dessen Aufsatz »Anarchisten und Kommunisten«).

An einer Stelle stellt er fest, die Literatur brauche »ja nicht nur bewusste proletarische Ideologie, sondern auch Fleisch und Blut und ein rufendes Herz«. Doch es hilft wenig. Erzählungen wie »Vom Nutzen« hatten nicht nur Stalins Ärger, sondern auch einen gnadenlosen Verriss in der »Prawda« zur Folge. Nun wurde Platonows Existenz auf den Prüfstand gestellt. Auch wenn bedauerlicherweise die beanstandete Novelle nicht in dem Band enthalten ist, so ist es dem Suhrkamp-Verlag, der bereits Neuauflagen von »Die Baugrube«, »Tschewengur« und »Die glückliche Moskwa« veröffentlicht hat, gelungen, wieder ein wenig mehr vom Schaffen des 1951 verstorbenen Schriftstellers bekannt zu machen, der dieser Tage weltweit wiederentdeckt wird.

Andrej Platonow: Der makedonische Offizier. A. d. Russ. v. Michael Leetz. Suhrkamp, 140 S., geb., 24 €.

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