Lasst euch nicht instrumentalisieren!

Die Pressearbeit verbessert nicht, wer nur über die Demokratie redet

  • Peter Nowak
  • Lesedauer: 3 Min.

»Wir kompensieren das teilweise mit Alkohol oder Drogen. Wir brennen aus und es ist kein Ende in Sicht«, so beschreibt der in Bayern lebende Rési Lucetti den Alltag eines engagierten Fotografen, der seit Monaten die Aktivitäten der Corona-Maßnahmenkritiker*innen dokumentiert und dabei zum Angriffsziel wurde. Unter dem Hashtag AusgebranntePresse hatte Lucetti kurz vor Jahresende seine Erfahrungen auf Twitter veröffentlicht und damit einen wunden Punkt getroffen. Innerhalb kurzer Zeit posteten zahlreiche Journalist*innen Berichte, Fotos, Videos von verbalen Angriffen, Beleidigungen, Schubsereien, denen sie bei ihrer Arbeit auf solchen Demonstrationen ausgesetzt sind.

Es ist nur zu begrüßen, dass eine größere Öffentlichkeit sich über die Bedingungen von Medienarbeiter*innen Gedanken macht. Und es wäre noch besser, wenn diese sich untereinander auch darüber austauschen, wie man gemeinsam etwas verändern kann. Schließlich gibt es Beispiele von prekären Berufsgruppen, die sich im Arbeitsalltag kaum treffen, für die ein digitaler Austausch am Beginn einer Organisierung stand. Schlechte Bezahlung und Arbeitshetze sind vor allem für freie Medienschaffende ein ständiges Problem. Der Mediensektor gilt quasi als Pilotprojekt für die Neoliberalisierung der Arbeitswelt.

Warum sollten nicht auch die Journalist*innen und Fotograf*innen für einen Tag kollektiv ihre Arbeit einstellen und ihre schlechten Arbeitsbedingungen dokumentieren? Doch solche Überlegungen zu konkreter Gegenwehr fand man leider kaum. Stattdessen driftete die von Ausgebrannte-Presse ausgelöste Debatte in einen allgemeinen Demokratiediskurs. Eine Entpolitisierung durch Heroisierung, da feiern sich die Medienvertreter*innen dann als die letzten aufrechten Verteidiger*innen der Demokratie gegen die Querdenker*innen. Was zugleich Teil des prekären Geschäftsmodells ist, weil es »mal ganz dumm gesagt finanziell besser für uns Journalist*innen wäre, wenn es Querdenken noch ein halbes Jahr gäbe«, so Lucetti in einem Interview. In der »Taz« schreibt Sarah Ulrich: »Die Journalist*innen sind dort, um das zu tun, was Presse tun sollte: über Gefahren für die Demokratie berichten. Denn die Gefahren für die Demokratie lauern in Städten wie Bautzen, Freital oder Eisenach.« Gefahren für die Demokratie lauern aber nicht nur dort, sondern auch im immer krasseren Profitstreben des Kapitals und beim Staat, der das durchsetzt.

Wenn man die in vielerlei Hinsicht kritikwürdigen Aktivitäten der Maßnahmekritiker*innen nur als Demokratieproblem sieht, besteht zudem die Gefahr, dass man die Facetten einer Bewegung nicht mehr wahrnimmt, die eben nicht nur aus Rechten besteht. Widersprüchliches darzustellen, ist jedoch ein Grundsatz des Journalismus. Es ist ja gerade das Spezifikum dieser Corona-Proteste, dass dort auch Menschen sind, die noch vor einem Jahr kaum auf rechtsoffenen Demonstrationen mitgelaufen wären. Die Frage, wie es dazu kommen konnte, könnten sich Medienvertreter*innen auch stellen.

Wie sie sich organisieren können, um ihre Arbeitsbedingungen zu verbessern, wäre eine sinnvollere Diskussion als allgemeine Demokratieapologie oder gar der Aufruf an den Staat, mit »voller Härte« gegen die Demonstrationen vorzugehen, wie es in manchen der Beiträge bei AusgebranntePresse zu lesen war. Die hessische Landesregierung hat bereits vor einigen Monaten mit Verweis auf den Schutz der Presse weitere Einschränkungen des Demonstrationsrechts in die Diskussion gebracht. Für eine solche Law-and-Order-Politik sollten sich kritische Journalist*innen aber auf keinen Fall instrumentalisieren lassen.

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