Debatten fördern mittels Kandidatur

Linke nominiert Aktivisten für die Rechte Armer und Geflüchteter zur Bundespräsidentenwahl

Seit jeher nutzt die Linkspartei die Bundespräsidentenwahl vor allem, um mehr öffentlichen Druck für ihre Anliegen zu erzeugen. So auch jetzt: Mit Gerhard Trabert nominiert sie einen Mann zu ihrem Kandidaten für das Präsidentenamt, der nicht nur Professor für Sozialmedizin und Sozialpsychiatrie an der Hochschule RheinMain, sondern auch langjähriger Aktivist für die Belange Obdachloser, armer Menschen und Geflüchteter ist.

An diesem Dienstag will die Partei den Parteilosen Trabert offiziell als ihren Kandidaten vorstellen, die »Süddeutsche Zeitung« (SZ) hatte am Sonntagabend vorab über seine Nominierung berichtet, auf die sich Partei- und Fraktionsvorstand der Linken offenbar geeinigt haben, wie mehrere Mitglieder der Parteispitze am Montag in Onlinemedien wie Twitter und Facebook mitteilten.

Trabert weiß darum, dass seine Kandidatur eher symbolischer Natur ist. Ihm gehe es vor allem darum, Amtsinhaber Frank-Walter Steinmeier an seine Verantwortung dafür zu erinnern, dass die »im Grundgesetz verbürgten Menschenrechte für alle Menschen« gelten, sagte der 65-Jährige im SZ-Interview.

Steinmeier hatte sich selbst für eine zweite Amtszeit ins Spiel gebracht. Der frühere SPD-Politiker kann am 13. Februar mit einer breiten Mehrheit rechnen, da ihn sowohl die Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP als auch CDU und CSU unterstützen.

Die Linke-Kovorsitzende Susanne Hennig-Wellsow bezeichnete Trabert am Montag auf Twitter als »Menschen der Tat mit großem Herzen«. Fraktionschef Dietmar Bartsch verwies darauf, dass Trabert »tagtäglich mit dem Arztmobil unterwegs« sei, um obdachlose Menschen zu versorgen, dass er in vielen Krisengebieten als Arzt und Seenotretter tätig war und mit dem Bundesverdienstkreuz geehrt wurde. In der von Trabert mit betriebenen Mainzer »Ambulanz ohne Grenzen« werden sowohl Wohnungslose als auch Menschen ohne Papiere medizinisch versorgt.

Linke-Vorstandsmitglied Lorenz Gösta Beutin schrieb am Montag auf Facebook, der Mediziner stehe »in seinem gesamten Wirken ein für Menschen, die zu wenig gehört, die ausgegrenzt, an den Rand der Gesellschaft gedrängt werden«. Seine Kandidatur sei »ein Zeichen für eine demokratische Alternative, gerade in diesen Zeiten«, so Beutin. Auf Twitter erinnerte er daran, dass Steinmeier durch die von ihm mit vorangetriebene »Agendapolitik« der SPD nicht unerheblich zu Politikverdrossenheit, das Sich-Abwenden vieler Menschen von der Demokratie und zum Erfolg rechter Kräfte beigetragen habe.

Kritik an der Nominierung kam unter anderem von Sozialwissenschaftler und Linke-Mitglied Horst Kahrs, der bis Ende 2021 am Institut für Gesellschaftsanalyse der Linke-nahen Rosa-Luxemburg-Stiftung forschte. In einem Blogbeitrag schrieb er, damit sende die Partei nach ihrer »desaströsen Niederlage« bei der Bundestagswahl das Signal eines »Weiter so« aus. In Zeiten wie diesen, in denen die Rechte erstarke, müssten bei Anlässen wie der Bundespräsidentenwahl »parteipolitische Egoismen« zurückstehen, mahnte Kahrs. Denn dabei gehe es nicht um konkrete Sachthemen, sondern »um die Verteidigung und Repräsentanz der parlamentarisch-demokratischen Grundregeln«.

Trabert erklärte am Montag: »Meine Kandidatur steht unter dem Slogan: Mehr soziale Gerechtigkeit wagen.« Im Programm der neuen Bundesregierung könne er dies nicht erkennen. Gerade in der Corona-Pandemie werde viel zu wenig beachtet, dass Krankheit und Sterblichkeit eng mit dem sozialen Status verbunden seien. Die Bundesregierung werde zudem ihrer Verantwortung für Geflüchtete nicht gerecht. Trabert ist Gründer und Vorsitzender des Vereins »Armut und Gesundheit in Deutschland«, der Mitglied der Nationalen Armutskonferenz ist. Im Mittelmeer nahm er unter anderem an Rettungseinsätzen der Organisation Sea-Watch teil. Zur Bundestagswahl im September hatte er in Mainz als Direktkandidat der Linken für den Bundestag kandidiert. Er wurde nicht gewählt, konnte aber mit 12,7 Prozent der Erststimmen einen Achtungserfolg erringen.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.