Im Westen ist das Wetter egal

Die »Junge Welt« wird 75

Schatten oder Sonne in Berlin-Mitte?
Schatten oder Sonne in Berlin-Mitte?

Der mehr oder weniger kommunistischen Tageszeitung »Junge Welt« geht es besser als den organisierten Kommunisten. Von denen und ihrem drögen Parteiblatt UZ spricht kaum jemand, die »Junge Welt« aber wird am Samstag 75 Jahre alt. Sie ist interessiert an größeren Verbündeten: »Hände weg von Russland und China!« lautete das Motto ihrer diesjährigen Rosa- Luxemburg-Konferenz, der ebenso erfolgreichen wie zirzensischen Werbeveranstaltung der Zeitung in Berlin. Sie sollte erstmals in der Max-Schmeling-Halle stattfinden, ging aber wegen Corona nur online über die Bühne.

In der DDR war die JW als Zentralorgan des Jugendverbandes die größte Tageszeitung mit über einer Million Auflage, um dann in der BRD die kleinste überregionale zu werden. Mittlerweile sind das »nd« und die JW die letzten verbliebenen Ostzeitungen, beider Existenz musste im antikolonialen Kampf gegen die Treuhand durchgesetzt werden. »In der DDR war nicht alles schlecht«, so könnte man vielleicht die Haltung des »nd« zum untergegangenen Staat zusammenfassen, »in der DDR war fast alles gut«, die der JW. In erster Linie ist das Blatt aber globalpolitisch interessiert: Der Westen ist böse, egal, ob es westwärts schneit oder die Sonne scheint. Mit diesem Ansatz ist die Zeitung berechenbarer als der Wetterbericht.

Aus dem Westen kamen aber auch ihre historisch bekanntesten Autoren (leider alles Männer): Jürgen Elsässer, Werner Pirker und Wiglaf Droste, die sich misstrauten bis bekämpften, zusammengehalten vom legendenumgürteten Geschäftsführer Dietmar Koschmieder, der eher seine Oma verkaufen würde als die Zeitung. Mit ihm wurden viele Krisen überstanden, die dramatischste 1997, als sich im Streit die künftige Wochenzeitung »Jungle World« abspaltete. »Konkret«-Chef Hermann L. Gremliza meinte damals, getrennt hätten die zwei Zeitungsfraktionen keine Zukunft. Auch der klügste Kommunist kann sich irren.

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