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Lasst uns in Frieden (8): Den Krieg madig machen
Über Bertolt Brechts »Mutter Courage und ihre Kinder« und die großen Geschäfte in den Kriegen
Es ist leicht, den Krieg zu verurteilen. Seit einigen Tagen können wir Zeugen davon werden, wie Menschen den Aggressor Putin verdammen, die Opfer der russischen Offensive bedauern - und doch für Waffenlieferungen in die Ukraine eintreten. Dabei bedarf die Kriegsgegnerschaft vor allem einer Sache: Konsequenz. Dem russischen Machthaber Wahnsinn zu unterstellen - so unfassbar sein Agieren auch ist -, hilft nicht weiter. Hinter jedem Krieg stecken handfeste Interessen. Und auch der Wunsch nach militärischer Verteidigung ist letztlich der Wunsch nach einer Fortsetzung des Krieges. Wer gegen das sinnlose Sterben ist, muss auch gegen das Mordwerkzeug aufbegehren, egal, wohin es geschafft werden soll.
Nicht auf die schnellen Affekte zielend, hat Bertolt Brecht im skandinavischen Exil eines der klügsten Theaterstücke über den Krieg geschrieben: »Mutter Courage und ihre Kinder« heißt es, mit dem Untertitel »Eine Chronik aus dem Dreißigjährigen Krieg«. Mit Helene Weigel in der Titelrolle hat es Weltruhm erlangt. Jeder kennt die Bilder von der Weigel mit dem Wagen auf der Bühne, kennt den stummen Schrei, den ausstößt, wer im Krieg einen Menschen verloren hat. Dieser großen Inszenierung, gut dokumentiert und auch in einer Fernsehfassung erhältlich, folgten bis heute unzählige weitere. Ein Stück über Krieg und Kapitalismus verliert leider so schnell nicht an Aktualität.
In seinen Anmerkungen zu dem Drama hat der Autor dargelegt, was dem Publikum dadurch offenbar werden soll: »Daß die großen Geschäfte in den Kriegen nicht von den kleinen Leuten gemacht werden. Daß der Krieg, der eine Fortführung der Geschäfte mit anderen Mitteln ist, die menschlichen Tugenden tödlich macht, auch für ihre Besitzer. Daß er darum bekämpft werden muß.«
Brecht hat es nicht auf ein knappes Nein zum Krieg angelegt mit seinem epischen Drama, er hat genauer hingesehen. Nicht der Krieg, sondern das Kriegsgeschäft ist sein Thema. »Ich laß mir den Krieg von euch nicht madig machen«, sagt Anna Fierling, genannt Mutter Courage, die mit ihren Geschäften von den militärischen Auseinandersetzungen profitiert. Als Marketenderin verdingt sie sich an den Frontlinien. Der Krieg - und nur der Krieg - garantiert ihr ein sicheres Einkommen. »Kanonen auf die leeren Mägen / Ihr Hauptleut, das ist nicht gesund. / Doch sind sie satt, habt meinen Segen / Und führt sie in den Höllenschlund«, singt sie im berühmten »Lied der Mutter Courage«. Allerdings, ihre Kinder, allesamt tugendhafte Menschen, will auch sie nicht hergeben. Wir sehen in zwölf Bildern: Es gibt keinen Krieg, weil die Menschen schlecht sind; es gibt Krieg, weil Menschen an ihm verdienen können. Aber wer denkt, ihn beherrschen zu können, der irrt sich.
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