- Politik
- Linkspartei
Neuer Arbeitskreis gegen Parteikrise
Mit der »Initiative Solidarische Linke« soll ein Debattenforum für programmatische Erneuerung entstehen
Seit Ende vergangener Woche ist sie mit Webseite und Twitter-Account am Start: die »Initiative Solidarische Linke«. Der Titel des Aufrufs, der auf der Startseite zu lesen ist, sagt, worum es den Gründern geht: um eine programmatische und strategische Erneuerung der Partei Die Linke. Zu den rund 50 Erstunterzeichnenden gehören prominentere und weniger bekannte Parteimitglieder, aber mit Dorothee Menzner auch eine ehemalige Bundestagsabgeordnete, die Ende vergangenen Jahres aus Protest gegen die Wahl von Klaus Ernst zum Vorsitzenden des Bundestagsausschusses für Klimaschutz und Energie aus der Partei ausgetreten war.
Die Idee zu einer Initiative, die eine strömungsübergreifende Debatte auch mit Sympathisanten der Partei fördern und ermöglichen will, ist schon einige Wochen vor der Bundestagswahl 2021 entstanden. Das sagt Thomas Nord, langjähriger Bundestagsabgeordneter, der aber zur Wahl im September nicht wieder angetreten war. Er ist eine von fünf Personen, die sich schon damals Gedanken darüber gemacht haben, was »angesichts des erwartbar schlechten Wahlergebnisses zu tun« sei, so Nord im Gespräch mit »nd«.
Olga Hohmann versteht nicht, was Arbeit ist und versucht, es täglich herauszufinden. In ihrem ortlosen Office sitzend, erkundet sie ihre Biografie und amüsiert sich über die eigenen Neurosen. dasnd.de/hohmann
Eine genaue Analyse der inhaltlichen Konflikte in der Partei hält er für dringend nötig, um sich neu aufstellen zu können und als Partei überhaupt noch Relevanz zu haben. Im Aufruf ist benannt, wo aus Sicht der Initiatoren die Probleme der Linken liegen. Zwar sei es »unverzichtbar«, die soziale Frage in den Mittelpunkt von Wahlkämpfen zu stellen. Bei der Bundestagswahl sei jedoch der Versuch gescheitert, »ungeklärte Konflikte hinter einem Sozialstaatsprogramm zu verbergen«. Der Linken fehle eine »einigende politische Idee«. In zentralen Fragen wie der »menschheits- und umweltbedrohenden Klimakrise oder Migrationsbewegungen« sei die Partei »tief gespalten«, heißt es im Papier. Die aktuellen innerparteilichen Auseinandersetzungen um den »völkerrechtswidrigen Überfall Russlands auf die Ukraine« hätten das »desaströs bestätigt«. Die ungeklärten Positionen seien ursächlich für den »ausgezehrten Zustand« der Linken, aus Pluralität sei »Beliebigkeit« geworden.
Die gut 100 Unterzeichnenden betonen, sie verteidigten die »Grundsätze und Werte des Parteiprogramms«. Von einigen Linke-Politikern und -Aktiven vertretene Positionen widersprechen diesen aus ihrer Sicht. Seit der Ankunft Hunderttausender Geflüchteter in den Jahren 2015 und 2016 hätten sich die innerparteilichen Konflikte zugespitzt, seither schwelten sie weiter, schreiben sie. Als weitere wesentliche Konfliktlinie innerhalb der Partei wird die Positionierung zum Klimaschutz benannt, den einige in der Partei gegen soziale Fragen ausspielen wollten. Im Papier wird konstatiert, dass heute alle gesellschaftlichen Entwicklungen und politischen Handlungen eine globale Dimension haben. Deshalb müsse Internationalismus die Grundlage der Arbeit der Linkspartei sein: »Für uns ist die sozialistische Idee seit jeher die der internationalistischen Solidarität mit allen, die für ihre Menschenrechte kämpfen. Versuche, sie in ein Land zu sperren oder diktatorisch zu verwirklichen, gehen stets einher mit Diskriminierung und schwersten Menschenrechtsverletzungen.«
Die Initiative will deshalb eine »glaubwürdige, gefestigte und dadurch einflussreiche, zeitgemäße linke, progressiv-demokratische Tendenz« in der Partei »vorantreiben und fest verankern«. Dafür will sie eine Debatte fördern und führen, die »Grundstein für einen Neuanfang« und einen »politischen und organisatorischen Aufbruch« sein soll. Es gehe darum, in Regierungen wie auch in der Opposition den »sozial-ökologischen Umbau der Gesellschaft hierzulande, europäisch und global mit internationalistischer Solidarität, ökologischer, friedenspolitischer und ökonomischer Nachhaltigkeit und bei Wahrung und Durchsetzung der universellen sozialen und politischen Menschenrechte demokratisch zu gestalten und zu bewältigen«.
Anfänge, die in der Linken gemacht wurden, um eine breite Debatte über die Ausrichtung der Partei voranzutreiben, wie etwa die Strategiekonferenz in Kassel vor gut zwei Jahren, findet Nord richtig. Hier sei die Parteispitze gefragt, dies weiterzuführen.
Die Solidarische Linke, sagt der zum Reformerlager gehörende Politiker, wolle ihrerseits dazu beitragen, dass die Debatte wieder in Gang komme. Er habe an den Bundesvorstand und an alle Landesvorstände geschrieben und angeboten, dass die Initiative unter anderem in Zusammenarbeit mit den Gremien, die Debatte mit gestalten könne.
Zum Parteitag im Juni hat die Initiative nach Angaben von Nord noch nichts Konkretes geplant. Jetzt gelte es zunächst, Menschen anzusprechen, die mitmachen wollen. Es gehe nicht um einen »politischen Sprint«, sondern um einen »längeren Prozess, der mit einer Veränderung des Denkens zu tun« habe. Die Gründerinnen und Gründer der Initiative seien »nicht in unmittelbarer Funktionsverantwortung«. Man habe keinen »Top-Down-Prozess« gewollt, sondern eine von einem breiten Spektrum von Akteuren getragene Initiative. Daher habe die Gründungsgruppe beim Ansprechen potenzieller Unterstützer auf eine Mischung von Personen unterschiedlicher Altersgruppen und regionaler Herkünfte Wert gelegt. »Mit dem Start der Initiative sind jetzt auch Mitglieder dazugekommen, die in vielfältigen Funktionen sind«, sagt Nord. »Das ist sehr erfreulich.«
Viele derer, die den Aufruf unterzeichnet haben, kommen aus den Linke-Arbeitsgemeinschaften und Plattformen Forum demokratischer Sozialismus, Emanzipatorische Linke und Bewegungslinke. Und es finden sich mit dem Berliner Vizebürgermeister und Kultursenator Klaus Lederer und den Bundestagsabgeordneten Caren Lay, Martina Renner, Cornelia Möhring und Clara Bünger etliche in der Partei einflussreiche Personen unter ihnen. Renner ist zusätzlich stellvertretende Bundesvorsitzende. Auch 13 Landtagsabgeordnete gehören zu den Unterzeichnenden, unter ihnen Elke Breitenbach, bis zum letzten Herbst Berliner Sozialsenatorin.
Klar ist, dass die großen Differenzen in den Haltungen zum Umgang mit dem Krieg in der Ukraine die Debatte nicht einfacher machen. In einer Vorbemerkung zum - vor dem 24. Februar verfassten - Appell heißt es, die »historische Zäsur des des Eroberungskrieges Putins« zeige »in besonderer Weise, wie aktuell« dieser für Die Linke sei.
Bislang ist die Linke die einzige im Bundestag vertretene Partei, die Auslandseinsätze der Bundeswehr wie auch Rüstungsexporte insgesamt und in Kriegsgebiete ohnehin ablehnt. Doch zuletzt konnte sich die Fraktion unmittelbar vor der Bundestagswahl nicht auf eine gemeinsame Haltung zum sehr späten Beschluss des Bundestages zur Evakuierung sogenannter Ortskräfte der Bundeswehr und anderer deutscher Institutionen aus Afghanistan einigen. Dies dürfte sie - auch wegen der darauf folgenden Distanzierung der Spitzen von SPD und Grünen von ihr - etliche Stimmen gekostet haben.
Im Aufruf der Solidarischen Linken ist von »friedenspolitischen Standards« die Rede. Was daraus - jenseits der offenbar nach wie vor großen Mehrheit auch gegen Waffenlieferungen an die Ukraine - folgen wird, bleibt abzuwarten. Thomas Nord kritisiert, dass es jenseits der Verurteilung des russischen Angriffskriegs »keine gemeinsame Position« der Partei dazu gebe.
Auch für die Bundestagsabgeordnete und Mitunterzeichnerin Caren Lay ist klar, dass die Linke »zu lange eine Politik des kleinsten gemeinsamen Nenners betrieben« hat. Sie habe Lust, sich in eine Debatte um Ausrichtung und Strategie der Partei einzubringen, sagte Lay im Gespräch mit »nd«. Es sei ihr wichtig, dass für die Linke ein »ganz starker Kern die Verbindung von Sozialpolitik und Kämpfen gegen Diskriminierung« bleibe bzw. werde. Dazu müsse es eine Verständigung geben, so Lay. Sie sei wichtig, weil sich viele »frustriert von der Linken abwenden«.
initiative-solidarische-linke.de
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.