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Aggressive Veganer
Jeja nervt: Benehmen sich Veganer*innen in sozialen Medien übermäßig aggressiv gegenüber Fleischesser*innen?
Benehmen sich Veganer*innen in sozialen Medien übermäßig aggressiv gegenüber Fleischesser*innen? Die Antwort scheint »Ja« zu lauten – folgt man einer Umfrage des Marktforschungsinstituts APPINIO. In der hatte jedenfalls die Mehrheit diesen Eindruck, ganze 60 Prozent. Das habe konkrete Folgen für die Fleischesser*innen, heißt es – und man möchte ausrufen: für unsere Demokratie überhaupt! Rund ein Drittel gab demnach an, sich gehindert zu fühlen, Beiträge über tierische Lebensmittel zu kommentieren oder auch nur zu liken. Die Angst, von Veganer*innen attackiert zu werden, sei schlicht zu groß.
Ungefähr 7,5 Prozent der Deutschen ernährt sich vegetarisch oder vegan. Es scheint also etwas Ungeheuerliches im Gang zu sein: Eine kleine Minderheit jagt der Mehrheit der Bevölkerung Angst und Schrecken ein. Klar, dass das Thema in den Medien gut läuft. Und so entdeckte etwa jüngst die im Bremer Umland teils mit monopolartiger Stellung erscheinende Kreiszeitung mal wieder die Umfrage, die mit leicht anders gestellten Sätzen schon vergangenes Jahr von der BILD-Zeitung vorgestellt worden war. Natürlich fehlen jegliche Angaben darüber, woher die Satzbausteine stammen, von wann die Umfrage ist oder auch, ob es sich um eine repräsentative Befragung handelt.
Das macht aber alles nichts, schließlich geht es hier sowieso eher um gefühlte Wahrheiten. Und in die passt die Story von der verfolgten Mehrheit immer gut – egal, ob es um Seitansteaks, sexuelle Belästigung, Radfahren oder Dreadlocks geht. Solche Beiträge werden in den sozialen Medien tausendfach hasserfüllt kommentiert und weiterverteilt und bringen Lokalzeitungen mit ihren schrumpfenden Auflagen wertvolle Klicks ein. Für die Gesellschaft aber – und damit für die Mehrheit – ist das schlecht und nicht gut. Die bekommt ihre Lebenslügen auch noch als gerechtfertigt gespiegelt.
Denn für das Gefühl, von Veganer*innen aggressiv heimgesucht zu werden, gibt es bereits gute Erklärungsansätze aus der Forschung. Etwa das Modell des »meat paradox«, das auf demjenigen der kognitiven Dissonanz fußt. Fleischesser*innen wissen nämlich, dass ihre Konsumgewohnheiten nicht mit ihren moralischen Ansprüchen einhergehen, die unnötiges Tierleid wie Massentierhaltung eigentlich verbieten. Jeder Mensch muss sich aber selber positiv als guter Mensch besetzen. Die Lösung, die wir meistens und bei quasi allen Themen wählen: Die Wirklichkeit an das eigene, problematische Verhalten anpassen, statt umgekehrt. Herauskommt natürlich ein fragiles ideologisches Gebilde. So fragil, dass es heftig ins Wanken gerät, wenn nur das Wort »Veganer« erwähnt wird – geschweige denn, jemand am selben Tisch zieht den Thüringer Würstchen, die man sich selber gerade rein zimmert, eine Gemüsepfanne vor. Damit wackeln aber auch Identität und Selbstwert. Bedeutet: Die schiere Existenz vegan essender Menschen wird bereits als Aggression empfunden und rechtfertigt vermeintliche Gegenaggressionen. Ein Mechanismus, der übrigens auf andere Verhältnisse von Mehrheit und Marginalisierten übertragbar ist: Frauen, Homosexuelle, Schwarze, Arme.
Fleischkonsum ist sowohl mit Männlichkeit als auch mit marginalisiertem sozialem Status assoziiert. Das heißt: Um ihre sowieso per definitionem in der Krise befindliche Männlichkeit vor dem Zerbröckeln zu bewahren, neigen Männer nicht nur zu übermäßigem Fleischverzehr – sie fühlen sich dabei auch noch verfolgt. Finden Sie es übertrieben? Kürzlich rezensierte der stellvertretende Feuilleton-Leiter der FAZ, Jakob Strobel y Serra, das Buch der Vegan-Aktivistin Roanne van Voorst, in dem diese eine »futuristische Traumlandschaft« entwerfen will. In Wahrheit aber, so Strobel y Serra unter der Überschrift »Die Knechtschaft in der Gemüsediktatur«, sei diese vegane Zukunft »ein Schreckensszenario nicht nur der kulinarischen Kastrierung«. Ich fürchte mich ja eher davor, mir am Monatsende kein Gemüse mehr kaufen zu können. Aber so hat eben jeder seine ganz eigene Angst um seinen Blumenkohl.
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