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Damit der Schmerz nicht chronisch wird
Präventives ambulantes Untersuchungsangebot soll dauerhafte Einschränkungen frühzeitig verhindern
Akute Schmerzen kennt fast jeder. Wenn aber nach einer Verletzung oder einer Operation die heftigen unangenehmen Wahrnehmungen bleiben oder gewöhnliche Kopf-, Rücken- oder Gelenkschmerzen immer wiederkehren, kann das zum Dauerproblem werden und das ganze Leben überschatten. Einige Patienten bewältigen dann kaum noch ihren Alltag, bei manchen verändert sich die Persönlichkeit, sie konzentrieren sich nur noch auf ihre Krankheit – und dabei auf deren Verschlechterung. So jedenfalls nimmt Winfried Meißner von der Universitätsklinik Jena das Problem wahr. Der Arzt ist zugleich Präsident der Deutschen Schmerzgesellschaft.
Verständlich, dass Mediziner und auch Krankenkassen ein starkes Interesse haben, eine solche Chronifizierung zu verhindern. Mit diesem Ziel startete jetzt ein Projekt, das aus Anlass des Aktionstages gegen den Schmerz in dieser Woche vorgestellt wurde. »Zwar existiert in Deutschland eine gute hausärztliche Versorgung und auch eine hohe Facharztdichte«, erläutert Meißner die Situation, »aber es gibt für solche Patienten eine Versorgungs- und diagnostische Lücke.« Deshalb ermöglichen 15 auf Schmerztherapie spezialisierte Zentren ab sofort eine ausführliche interdisziplinäre Untersuchung, wie sie in der Regelversorgung bislang noch nicht vorgesehen ist. Für das Angebot (A-Ima – Ambulantes Interdisziplinäres Multimodales Assessment) verantwortlich zeichnen die Deutsche Schmerzgesellschaft und die Krankenkasse Barmer. Der Ansatz wurde bereits im Rahmen des Innovationsfonds erprobt und wissenschaftlich untersucht. Der Fonds soll neue Versorgungsformen fördern und verfügt aktuell jährlich über 200 Millionen Euro.
Rein formal können sich die Patienten in einigen Zentren selbst vorstellen, ansonsten wird vom Hausarzt ein kurzer Fragebogen ausgefüllt. Auf diesem Weg sollen genau die Betroffenen an der Schwelle der Chronifizierung gefunden werden. Grob zeitlich eingegrenzt soll deren Schmerz bereits länger als sechs Wochen andauern, aber noch nicht mehr als ein Jahr. Diese Menschen kommen dann zu einer ausführlichen Untersuchung durch einen Physio- und einen Psychotherapeuten sowie einen Arzt. Jeweils 45 Minuten kann jeder der Spezialisten aufwenden. Zuvor werden bereits vorliegende Befunde gesichtet. Es geht auch darum, psychosoziale Belastungsfaktoren zu erkennen, unter anderem berufliche. Im Anschluss gibt es eine Teambesprechung, ähnlich der sogenannten Tumorboards aus der Krebsmedizin, in denen sich verschiedene medizinische Professionen zur Situation und Therapie einzelner Patienten beraten. Danach erhält der Erkrankte die Empfehlungen der Gruppe, die schriftlich auch für den Hausarzt begründet werden. Hinzu kommen die nötigen Überweisungen zu Fachärzten und Therapeuten. Das gesamte Verfahren dauert einen Tag.
Das Angebot soll in naher Zukunft an insgesamt 25 Schmerzzentren zur Verfügung stehen und nach einer dreijährigen Probephase in die Routineversorgung kommen. Schon jetzt laufen Gespräche mit weiteren Krankenkassen darüber, hier recht bald mit einzusteigen, darunter mit einigen AOKen und Betriebskrankenkassen. Offen ist der Selektivvertrag für alle Kassen. Aus Sicht von Meißner ist die Untersuchung gut investierte Zeit, können damit doch jahrelange Schmerzkarrieren verhindert werden.
Ein ähnlicher Ansatz wird in einem weiteren Projekt verfolgt, bei dem Menschen bei fortdauerndem Schmerz nach einer Operation geholfen werden soll. Insgesamt, so Meißner, ist damit bei einem bis drei Prozent der Operierten zu rechnen. Bei insgesamt etwa 18 Millionen Eingriffen pro Jahr in Deutschland keine geringe Zahl. Es deutet sich bereits an, dass diejenigen besonders gefährdet sind, bei denen ein Eingriff am Brustkorb erfolgte.
Durch langanhaltende Schmerzen sind aktuell rund sechs Millionen Menschen in Deutschland körperlich und sozial beeinträchtigt. Bei über zwei Millionen ist dies auch mit psychischen Beschwerden verbunden. Bei mehr als der Hälfte aller Menschen mit chronischem Schmerz dauert es mehr als zwei Jahre, bis sie eine wirksame Behandlung erhalten.
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