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Preisanstieg beim Gas trifft auch Kliniken

Krankenhäuser stehen unter mehrfacher Belastung: Fehlende Investitionen bremsen Klimaschutz-Maßnahmen aus

Wenn es kommt, dann richtig: Dass die Krankenhäuser seit Jahrzehnten auf großen Teilen ihrer Investitionskosten sitzen bleiben und diese dann auch zulasten des Personals finanzieren, ist lange bekannt. Dass bei klimatischer Gebäudeertüchtigung, Digitalisierung und sonstiger Modernisierung Milliarden fehlen, überrascht niemanden in der Branche. Die Problematik kam am Dienstag noch einmal auf den Tisch, als ein Klimagutachten des Deutschen Krankenhausinstituts vorgestellt wurde.

Das Gutachten war von den Gesundheitsministern der Bundesländer im letzten September erbeten worden. Der Zeitpunkt der Vorstellung konnte mitten in einer deutschlandweiten mehr oder weniger starken Hitzewelle nicht günstiger gewählt sein. Denn die erste umfassende Erhebung klima- und energierelevanter Daten deutscher Krankenhäuser findet zwar über 100 mögliche Klimaschutzmaßnahmen, die eine entsprechende Bilanz der Krankenhäuser verbessern könnten. Aber die damit anstehenden Investitionen machen die bisherige Unterfinanzierung seitens der Bundesländer – jährlich fehlen insgesamt über drei Milliarden Euro, trotz einer gesetzlichen Verpflichtung – noch einmal richtig deutlich.

Die verschleppte Modernisierung trägt auch dazu bei, dass das Gesundheitswesen in Deutschland einen Anteil von 5,2 Prozent der Emissionen von Treibhausgasen verursacht, ein Vielfaches der Luftfahrt. Auf die Umfrage des Krankenhausinstituts hatten von 1399 Allgemeinkrankenhäusern mit jeweils mindestens 50 Betten 263 Kliniken geantwortet.

Aus deren Daten ergibt sich, dass zum Beispiel pro Jahr und Krankenhausbett zehn Kilowattstunden Strom zu Kosten von etwa 1800 Euro verbraucht werden. Das ist etwa das Doppelte des mittleren Jahresverbrauchs eines Haushalts mit drei oder mehr Personen. Pro Bett und Jahr werden 1430 Kilogramm Abfall erzeugt, etwa das Dreifache der Müllmenge einer Person im Privathaushalt. Die Kosten für Frischwasser liegen bei 200 Euro pro Bett und Jahr. Die Zahlen machen deutlich, dass die Krankenhäuser Großverbraucher sind.

Das Gutachten hat aber nicht nur den Status quo erfasst, sondern auch sinnvolle Maßnahmen für energieeffizientes Verhalten benannt. Bereits 38 Prozent der Häuser haben Leitlinien und Zielvorgaben zu Energieeinsparung sowie Nachhaltigkeit festgesetzt, 30 Prozent beschäftigen Klimamanager. Daneben gibt es eine Vielzahl von Einzelmaßnahmen, darunter Wärmedämmung und Müllvermeidung.

Als Großverbraucher könnten die Krankenhäuser schon einen deutlichen Beitrag zum Klimaschutz leisten. Das Potenzial dazu ist auch aus Sicht der Kliniken selbst noch nicht ausgeschöpft. 63 Prozent sehen Verbesserungsbedarf bei der Energie- und Stromversorgung, die Hälfte zusätzlich bei der Wärmeversorgung. Erneuerbare Energien kommen bislang nur in begrenztem Umfang zum Einsatz. Weitere Optimierungsmöglichkeiten gibt es bei der Kälte- und Wasserversorgung sowie beim kontrollierten Einsatz von klimaschädlichen Narkotika.

Weniger Emissionen zu verursachen und Ressourcen zu schonen, kostet trotzdem Geld. Gerald Gaß, Vorstand der Deutschen Krankenhausgesellschaft, wies darauf hin, dass die Bausubstanz vieler deutscher Kliniken aus den 70er und den 80er Jahren des vorigen Jahrhunderts stammt. Zwar seien zum Beispiel OP-Säle, Intensivstationen oder Diagnostikabteilungen klimatisiert, die Krankenzimmer jedoch nicht durchgehend. »Hier muss die Politik schnell ins Handeln kommen«, mahnt Gaß. Im September soll das Gutachten den Gesundheitsministern von Bund und Ländern vorgestellt werden.

Zum vorhandenen Investitionsstau kommt akut die Erhöhung der Gaspreise, denn 92 Prozent der Krankenhäuser nutzen diesen Energieträger. Fernwärme und leichtes Heizöl sind nur bei rund der Hälfte im Einsatz, häufig nur teilweise. Ein Krankenhaus mit 600 Betten verbraucht zum Beispiel im Jahr knapp 17 Millionen Kubikmeter Erdgas, was bislang etwa 800 000 Euro kostete. Dieser Aufwand dürfte sich jetzt verdreifachen.

Solche Kosten können die Kliniken aber nicht an irgendwelche »Endkunden« weitergeben, erinnert Gaß. So wird ohne politische Weichenstellungen das eintreten, was etwa der Krankenhaus-Rating-Report prognostizierte: Bis zu 80 Prozent der Kliniken werden 2023 rote Zahlen schreiben. Die Stabilität der stationären Versorgung wäre damit gefährdet, so der Krankenhausvertreter. Die aktuellen Bedingungen werden dadurch verschärft, dass der Corona-Rettungsschirm für die Krankenhäuse Ende Juni geschlossen wurde. Gleichzeitig müssen viele Infektpatienten versorgt werden, höherer Personalbedarf inklusive. Unter dem Strich können weniger Patienten behandelt werden – und es gibt weniger Einnahmen.

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