Schaut auf die Frauen!

Christoph Ruf hofft, dass die EM der Fußballerinnen nicht nur eine kurzfristige Euphorie auslöst, sondern Langzeitwirkungen hat

Es ist schon erstaunlich, wie viele Menschen in den vergangenen Woche Fans der Fußballerinnen waren. Selbstverständlich sollte man dabei die Berufsopportunistinnen und -opportunisten abziehen, die Lob und Tadel davon abhängig machen, was ihrer eigenen Popularität nutzt und natürlich schnell gemerkt haben, wie beliebt die Fußball-EM der Frauen ist. Die Promidichte am Sonntag in Wembley war jedenfalls schon beeindruckend. Schön wäre es, den Bundeskanzler auch mal an einem Samstagnachmittag in der Frauen-Bundesliga zu sehen. Und täusche ich mich, oder kommt die altbekannte Frauenverachtung neuerdings nicht mehr in Gestalt dummer sexistischer Sprüche daher, sondern mit altväterlichem, gönnerhaftem Lob über die Frauen, die es doch mehr als ordentlich machten? Dafür, dass sie eben Frauen sind, versteht sich.

Mich würde es jedenfalls freuen, wenn von diesem Turnier, das am Sonntag zu Ende ging, etwas bliebe, was über den EM-Titel hinausreicht. Eine dauerhaft größere Unterstützung beispielsweise, materiell wie immateriell. Man fragt sich, wo all die Maniacs sind, wenn nicht gerade eine EM oder WM stattfindet. Mehr Zuschauerinnen und Zuschauer wären extrem wünschenswert, und natürlich viel höhere Sponsoring-Erlöse. Denn das Eine hängt mit dem Anderen zusammen, leider. In der Frauen-Bundesliga konnten in der abgelaufenen Saison nur drei Klubs mehr als 10 000 Fans begrüßen – in der gesamten Spielzeit, wohlgemerkt. Zwischen 333 (Jena) und 1576 Fans (Frankfurt) kamen pro Spiel.

Bleibt also zu hoffen, dass es dieses Jahr anders läuft als 2011. Damals fand die Frauen-WM in Deutschland statt, der Hype war riesig – und die Liga merkte wenige Wochen später überhaupt nichts mehr vom vermeintlichen »Aufschwung des Frauenfußballs«, der in vielen Medien zuvor so emphatisch besungen worden war. Schön wäre es auch, wenn möglichst viele Mädchen und Frauen durchs Fernsehschauen wieder Lust auf diese Sportart bekämen. 2010 gab es 8665 Mädchenteams – jetzt sind es nur bloß halb so viele.

Dass schon am kommenden Freitag die Männer-Bundesliga anfängt, könnte für die Frauen Fluch und Segen zugleich sein. 95 Prozent derjenigen, die für die hohen Einschaltquoten bei der EM gesorgt haben, werden dann wohl wieder ihrem Männer-Lieblingsverein huldigen. Doch vielleicht werden die auch noch mal deutlicher merken, wie theatralisch und unfair viele der 22 Männer zu Werke gehen, die Samstagnachmittags jeweils um Bundesligapunkte kämpfen. Und das dürfte noch das kleinere Legitimitätsproblem sein, mit dem die Männer ab Freitag zu kämpfen haben. Schon sind in den ersten Kommunen spürbare Einschnitte beschlossen, um die Energiekosten einigermaßen stemmen zu können. Wenn gesenkte Wassertemperaturen in den Hallenbädern, kaum geheizte öffentliche Räume und vervielfachte Energiekosten erstmal so richtig den Alltag prägen, könnte der Blick einigermaßen unfreundlich auf den Profifußball fallen.

Denn der erlaubt sich den Luxus, im Sommer eine lange Pause zu machen, um in der kalten Jahreszeit mit wahnsinnigen Energiekosten VIP-Räume und Stadionrasen zu heizen – wenige Wochen nachdem eine Weltmeisterschaft über die Bühne gegangen sein wird, die noch aus ganz anderen als nur ökologischen Gründen ein einziger Skandal ist. Doch Katar  ’22 ist eben auch deswegen eine gigantische Farce, weil die eigens für das Sinnlos-Turnier gebauten Stadien bei 45 Grad Außentemperatur auf die Hälfte heruntergekühlt werden. Warum? Weil Ökologie die Mächtigen im Weltfußball ebenso wenig interessiert wie Menschenrechte. Und weil die ganze (Männer-)Fußball-Blase grotesk überfinanziert ist.

»Equal pay«, also die Forderung, dass Profi-Fußballerinnen so bezahlt werden wie ihre männlichen Kollegen, ist vor diesem Hintergrund das Gebot der Stunde. Wenn man bei den Frauen die Gehälter verdreifacht und bei den Männern auf ein Zehntel herunterdimmt, dürften beide Gruppen in etwa das Gleiche verdienen.

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