Gewerkschaftschef nach U-Haft wieder frei

Joseph Stalin von der Sri Lanka Teachers Union hat den Regierenden den Kampf angesagt

Mitstreiter hielten es auf Handy fest, als Polizisten in Sri Lankas Hauptstadt Colombo am Mittwoch den Generalsekretär der linken Lehrergewerkschaft SLTU, Joseph Stalin, festnahmen. Nachfragen des 57-Jährigen zur Grundlage der Verhaftung blieben unbeantwortet. Erst im Nachhinein teilte die Polizei mit, es gehe um Verstoß gegen Gerichtsauflagen bei einer Demonstration Ende Mai. Beobachter halten dies für vorgeschoben. Der neue Staatschef Ranil Wickremesinghe will mit Härte die Proteste der Aragalaya-Bewegung beenden, die für die spektakuläre Besetzung des Präsidentenpalastes verantwortlich war. Bei der Erstürmung eines Protestcamps durch die Armee wurden kürzlich Dutzende Menschen verletzt, es läuft eine Verhaftungswelle gegen führende Köpfe.

Dazu gehört Gewerkschafter Stalin, der mittlerweile gegen Kaution aus Untersuchungshaft entlassen wurde. Sein Vater war ein kommunistischer Hafenarbeiters, der seinen Sohn nach dem sowjetischen Diktator benannte. Jospeh ist hingegen Lehrer. Nach der Ausbildung arbeitete er in Anuradhapura im Norden des Landes. Seit vielen Jahren ist er Vollzeitgewerkschafter. Mitstreiter berichten von Stalins »asketischem« Lebensstil, als Fortbewegungsmittel verfüge er nur über ein klappriges Fahrrad. Zur Radikalisierung der SLTU trugen die monatelangen Schulschließungen während Corona bei. Neue Belastungen durch Homeschooling und schlechte Ausstattung sorgten für großen Frust bei den meist weiblichen Lehrkräften, die hoch angesehen, aber schlecht bezahlt sind. Mit einem fast 90-tägigen Streik wurden Lohnerhöhungen durchgesetzt, aber die Gewerkschaft und ihr Generalsekretär gerieten in Konflikt mit der Regierung. Im Juli 2021, noch unter den Corona-Auflagen, protestierten Stalin und 30 weitere Aktivisten gegen eine Bildungsreform, die aus ihrer Sicht zur Militarisierung der Universitäten führe. Alle wurden verhaftet und kurzerhand in eine Quarantänestation verfrachtet.

Die SLTU war auch vorne dabei, als es im April wegen der sich rapide verschlechternden sozialen Lage zum größten Streik in Sri Lanka seit Jahrzehnten kam. »Wenn die Regierung nicht bereit ist zu gehen, werden wir sie rauswerfen müssen«, rief Stalin bei einer Kundgebung.

App »nd.Digital«

In der neuen App »nd.Digital« lesen Sie alle Ausgaben des »nd« ganz bequem online und offline. Die App ist frei von Werbung und ohne Tracking. Sie ist verfügbar für iOS (zum Download im Apple-Store), Android (zum Download im Google Play Store) und als Web-Version im Browser (zur Web-Version). Weitere Hinweise und FAQs auf dasnd.de/digital.

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.