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Neues Wort, altes Spiel

»Smash« ist das Jugendwort des Jahres – und wie sagen Sie zu »ficken«?

  • Larissa Kunert und Erik Zielke
  • Lesedauer: 5 Min.
Einfach niedlich: Zwei Igel, die einander smashen.
Einfach niedlich: Zwei Igel, die einander smashen.

Wer in den seligen 2000er Jahren sich selbst jugendlich nennen durfte, wird sich erinnern: An den Rucksäcken prangten Aufnäher, an den Zimmerwänden Poster, auf dem Schulhof Sticker mit der Aufschrift »Smash Fascism!«. Zerschlagt den Faschismus. Heute, ein paar Zeitenwenden später, werden Faschisten ja eher geküsst, wo man sie trifft (oder zu italienischen Ministerpräsidentinnen gewählt). Und »smash« hat es zum Jugendwort des Jahres 2022 geschafft. Allerdings mit einer gänzlich anderen Bedeutung: im Sinne von »mit jemanden etwas anfangen«, »mit jemandem Sex haben«. Oder wie es »Spiegel Online« in altväterlicher Manier erklärt: ein »Stelldichein« haben.

Nun liegt es in der Natur von Jugendworten, dass sie nur für eine kleine Altersgruppe wirklich verständlich sind. Die Bedeutungsverschiebung vom Zerstören zum Beischlafen ist dennoch bemerkenswert, und Dr. Freud hätte sicher seine Freude daran gehabt. Auch wenn »smash« ein englisches Wort und in der Anglosphäre schon länger in dieser Bedeutung bekannt ist: Dort lebende Jugendliche und Junggebliebene verwenden nd-Recherchen zufolge derzeit mindestens genau so gerne das Verb »to hit« für den Geschlechtsverkehr. Das mutet ähnlich martialisch an, und tatsächlich ist damit der Akt des Schlagens beziehungsweise Stoßens selbst gemeint: So sagt man als Mann mit entsprechendem zum Stoßen befähigtem Körperteil »I’d hit it« (Ich würde [sie oder ihn] stoßen), als Frau hingegen »I’d let him hit it« (Ich würde ihn stoßen lassen). Die deutschsprachige Jugend scheint da weniger zu differenzieren – zumindest ist davon in den Medien, die sich des Jugendworts des Jahres annehmen, nichts zu lesen. Ein Fortschritt der Zoomer-Generation, wenn junge Frauen genauso selbstverständlich wie Männer davon sprechen, am letzten Wochenende jemanden »zerstört« zu haben? Dabei geht es auch anders. Die Geschichte der deutschen Sprache hat unzählige Synonyme für die wichtigste Nebensache der Welt, wie verschämte Menschen hochtrabend sagen, gezeitigt. Aufgepasst:

jemanden erkennen – In der Bibel muss man die Sexszenen suchen, aber die Mühe bleibt nicht unbelohnt. Und wer im Buch der Bücher den anderen erkennt, ist sicher nicht frei von Sünde. Im heutigen Sprachgebrauch kann das Wort auch zu Irritationen führen, aber Sie werden sich schon verständlich zu machen wissen.

kopulieren klingt reichlich technisch. Aber nicht zu Unrecht fragte Peter Weiss in »Marat/Sade«: »Denn was wäre diese Revolution / ohne eine allgemeine Kopulation«.

Liebe machen ist bei Weitem zärtlicher, vernachlässigt aber die Tatsache, dass nicht immer Liebe mit im Spiel ist, wenn es zu dem kommt, wozu es kommen muss.

miteinander schlafen wurde früher zur Aufklärung verwendet, sorgte aber für Verwirrung: So manches Kind fragte sich, ob nicht das Träumen als Vorgang des Unbewussten dem Einzelnen vorbehalten sei? Oder ging es vielleicht nur darum, das Bett miteinander zu teilen und allein aus diesem Vorgang Kinder entstehen zu lassen? Dann hätte man ja auch gleich

mit jemandem ins Bett gehen sagen können. Ein Begriff, der derzeit mit Vorliebe in akademischen Milieus gebraucht wird. Schön abstrakt soll er Würde bewahren, auch noch dort, wo es zum Austausch von Körperflüssigkeiten kommt.

nageln ist ein Begriff, der gemäß Erkenntnissen der nd-Redaktion ausschließlich in Kreisen hochpubertär Betroffener Verwendung findet, denen Sexualität als zwischenmenschliche Praxis noch nicht bekannt ist.

poppen ist schlecht gealtert und heute nicht mehr in Gebrauch. Aber für ein Dezennium konnte kein Teenager bei der Fernsehwerbung für die Chipsmarke Pringles sein Grinsen unterdrücken, wenn es hieß: »Einmal gepoppt, nie mehr gestoppt!« Oje.

pudern sagt der Österreicher, und man wundert sich, dass das Alpenvolk noch nicht ausgestorben ist. wetzeln und schnackseln ist selbstredend auch nicht besser.

Sex habenin your face. Hier kann man nichts missverstehen. Es sei denn, man begreift Sex als Abkürzung von Sexus (im Englischen ist mit sex neben dem Geschlechtsakt auch das biologische Geschlecht bezeichnet). Tatsächlich sind Sex und Sexus, das Geschlecht, eng miteinander verwoben – man lese hierzu etwa das Buch »Was ist Sex?« der slowenischen Psychoanalytikerin Alenka Zupančič.

ein Stelldichein haben, veraltet, heute nur noch bei Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Spiegel-Verlags gebräuchlich.

vernaschen ist eine der unzähligen weiteren Optionen, allerdings eine, deren Verwendung sich einfach verbietet. Wirklich, tun Sie das nicht.

vögeln – Tatsächlich ist dieser Begriff samt jetziger Bedeutung schon mehrere Jahrhunderte alt. Als »vog(e)len« bezeichnete man im Mittelalter die Begattung von Tieren, vor allem von Vögeln – ab dem 15. Jahrhundert dann auch den menschlichen Kopulationsakt. Hat heute einen leichten Retro-Touch und wird daher mit Vorliebe von stilbewussten promisken Großstädtern verwendet. Und vielleicht lässt sich ja die nächste Eroberung im Berghain durch das Goethe-Wort »Und hinten drein komm ich bei Nacht / Und vögle sie daß alles kracht« aus dessen »Hanswursts Hochzeit« beeindrucken.

ein zärtliches Einverständnis haben – So hat es der alte Romantiker Heinrich von Kleist, in Liebesdingen eher wenig erfolgreich, in seiner Novelle »Das Erdbeben in Chili« ausgedrückt. Für pikante Gespräche in gebildeten Kreisen durchaus eine Option!

Wie Sie auch immer zu dem sagen, was Sie tun – seien Sie gut zueinander!

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