- Politik
- Solidarität
Kuba schafft nicht alles allein
Solidaritätstreffen in Brüssel fordert eine bessere Welt ohne Blockade
Der bewegendste Moment wurde mit stehenden Ovationen beantwortet: Olga Ileana Jiménez, eine seit vielen Jahren in Italien lebende kubanische Sängerin, singt das Lied El Necio (Der Sture) von Silvio Rodríguez, das damit endet, »wie ich gelebt habe, so werde ich auch sterben« – gemeint ist treu zu den Idealen der kubanischen Revolution von 1959, der der weltbekannte kubanische Sänger Rodríguez bis heute verbunden ist. Jiménez hat einst an der Hochschule der Kunst in Havanna studiert, erzählt sie später dem »nd« und lebt inzwischen in Turin als freie Sängerin. Hauptberuflich arbeitet sie als Direktorin des Centro Studi Italia Cuba, einem Studienzentrum, das in erster Linie die Leistungen Kubas in den Bereichen Wissenschaft, Forschung und Kultur untersucht und italienisch-kubanische Kooperation fördert.
Bei dem federführend vom Team des linken spanischen Europaabgeordneten Manuel »Manu« Pineda organisierten »Treffen der Solidarität und Anklage der Blockade« in Brüssel am 16. und 17. November war Jiménez eine von 160 Teilnehmer*innen. Sie wies auf die Folgen der seit 60 Jahren andauernden Blockade auf die Kunst hin: »Aufnahmestudios fehlt es an Technik, Instrumente fehlen, Kunst und Kultur leiden.« Für den Deutsch-Kubaner Jorge Noguera aus Eberswalde, der in seiner Freizeit die Webseite »ilovekuba« betreibt, ist das nichts Neues. Bei jeder Reise zu seinen Verwandten in Contramaestre in der östlichen Provinz Santiago sei das Mitbringen von Gitarrensaiten hoch erwünscht, erzählt er, denn die seien in Kuba nur schwer erhältlich.
Jímenez berief sich bei ihrem Beitrag auf Fidel Castro, der Kultur für das Wichtigste erklärte, ohne die es keine Freiheit gäbe. »Deswegen müssen wir weiterkämpfen«, so Jiménez in ihrem Wortbeitrag im Anschluss an die Podiumsdiskussionen, die die Folgen der Blockade für Kuba sezierten. Félix Martínez Suárez, ein Abgeordneter aus Kuba, war einer der Podiumsteilnehmer. Er verwies auf die jüngste UN-Generalversammlung, bei der Anfang November erneut auf Initiative Havannas die US-Blockade gegen Kuba verurteilt wurde – wie regelmäßig seit 1992. 185 Länder stimmten dafür, zwei dagegen – die Vereinigten Staaten und Israel – und zwei enthielten sich, Brasilien und die Ukraine. »Hunger und Leid für die kubanische Bevölkerung. Das ist das Ziel der Blockade«, sagte Suárez und monierte auch die willkürliche Aufnahme Kubas in die US-Liste der »terrorfördernden Staaten«. Wegen dieser Einstufung wird Kuba der Zugang zum Finanzmarkt erschwert. Barack Obama hatte Kuba 2015 von dieser Liste gestrichen, sein Nachfolger Donald Trump 2021 Kuba wieder draufgesetzt und Biden hat es dabei belassen.
Was 1959 wenige Monate nach der Revolution mit einem Importstopp von kubanischem Zucker begann, so Suárez, mündete in eine bis heute anhaltenden Blockade Kubas durch die USA. Und es ist eben keine bilaterale Sache, denn die Blockade wirkt über das Helms-Burton-Gesetz seit 1997 auch extraterritorial. Obwohl es gegen internationales Recht verstößt, weiteten die USA die USA-Sanktionen auf Drittländer und internationale Finanzorganisationen aus. Deshalb unterlassen beispielsweise auch viele europäische Firmen in Kuba vorsichtshalber Investitionen, um ihre Geschäfte auf dem US-Markt nicht zu gefährden. Insgesamt belaufen sich nach 60 Jahren die Schäden inflationsbereinigt auf 154,217 Milliarden Dollar, heißt es in der Erklärung des Solidaritätstreffens, in der die Blockade verurteilt und ihre Aufhebung gefordert wird.
An der Konferenz nahm auch Fabrizio Chiodo teil, ein 37-jähriger italienischer Wissenschaftler, der in Neapel am Forschungsinstitut CNR im Bereich Biomolekulare Chemie arbeitet und zudem einem Forscherteam des Finlay-Instituts in Havanna angehört. Es ist das Institut, das die kubanischen Covid-Impfstoffe »Soberana 1« und »Soberana 2″ entwickelt hat. Er ist voll des Lobes für Kubas Leistungen. Trotz Blockade und obwohl es arm ist, verfüge das Land über eine Biotechnologie-Industrie, die in der Lage ist, eine Reihe von sehr hochwertigen biotechnologischen Produkten, einschließlich Impfstoffen, herzustellen. Die Forschung in diesem Land werde vollständig vom Staat finanziert. In Kuba gebe es keinen privaten Profit, das Geld aus diesem Austausch fließt zurück in das kubanische Staatssystem für Bildung, Forschung und Medizin,« erzählt Chiodo, der zeitweise auch als Professor für Chemie an der Universität in Havanna unterrichtet. »Wenn ich in Kuba bin, hab ich nur meine Hände, kann wenig helfen. Die Kubaner haben die Köpfe, wenn ich sie in Italien auf dem Stand modernster Technik ausbilde, die in Kuba wegen der Blockade nicht verfügbar ist und sie dann ausgebildet nach Kuba zurückkehren, helfe ich Kuba am meisten«, erzählt er dem »nd«. Kuba braucht Unterstützung, Chiodo leistet sie, indem er Stipendien für kubanische Studenten organisiert, um ihnen Weiterbildung in Italien zu ermöglichen, wie er das auch schon in seiner Zeit an der Freien Universität Amsterdam gemacht hat.
Auch Manu Pineda von der Kommunistischen Partei Spaniens (PCE) macht klar, dass Kuba solidarische Unterstützung braucht. »Kuba kommt mit allem klar, ist eine Lüge, Kuba kommt nicht mit allem klar. Kuba braucht Solidarität. Es ist mehr als folkloristische Solidarität mit den legendären Figuren der Revolution von 1959 Che und Fidel nötig«, erklärt er in seinem Statement und erzählt, dass er in der Kuba-Solidarität in Malaga groß geworden sei, bevor es ihn in die PCE und über die Liste Unidas Podemos ins Europaparlament verschlagen hätte. Für Pineda ist es nicht nachvollziehbar, dass gegen ein Land, das fünf Covid-Impfstoffe entwickelt hätte, davon einer – der einzige weltweit – für Kleinkinder, von den USA eine Blockade aufrechterhalten wird, und so die Lieferung von Sauerstoffgeräten während der Pandemie torpediert wurde. »Wir müssen die Solidarität konkreter machen, Kuba ist nicht allein und wird nie allein sein.« Auch deswegen plant Pineda ein Solidaritäts-Folgetreffen im kommenden Jahr.
Der Autor nahm auf Einladung von Manu Pineda am Treffen der Solidarität mit Kuba in Brüssel teil
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.