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Dank euch, Klimakleber!

Die Verfolgung wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung adelt die Letzte Generation

  • Jeja Klein
  • Lesedauer: 3 Min.
Letzte Generation – Dank euch, Klimakleber!

Was wurde nicht alles über sie geschrieben: Nervig sei sie, ihre Aktionen der eigenen Sache nicht dienlich, ja, sogar Bürger*innen, die der ganzen Klimageschichte eigentlich aufgeschlossen gegenüberstünden, würden dadurch abgeschreckt. Die Rede ist natürlich von der Letzten Generation. Am Mittwoch ließ die Staatsanwaltschaft Neuruppin Wohnungen in sechs Bundesländern durchsuchen. Der Verdacht: Bildung einer kriminellen Vereinigung. Ein Vorwurf, der ebenjenem Straftatbestand entspricht, den die Staatsanwaltschaft im etwas weniger provinziellen benachbarten Berlin jüngst noch verworfen hatte. Doch in Neuruppin, im sprichwörtlichen »janz weit draußen«, da sah man die Lage wohl nur zu gern etwas anders.

JEJA NERVT
Jeja Klein ist eine dieser Gender-Personen aus dem Internet und nörgelt einmal die Woche an Kultur und Politik herum. dasnd.de/jejanervt

Es würde nicht verwundern, wenn das mit dem Klagegeheul in Richtung »Rechtsstaat« zu tun hätte, mit dem sich Politiker*innen in den vergangenen Monaten bis in höchste Staatsämter hinein gegenseitig übertrafen. Nicht nur Kanzler und Bundesjustizminister wagten sich an die immer dann besonders beliebte Disziplin, wenn die Unmöglichkeit der herrschenden Verhältnisse mal wieder allzu offenkundig zu werden droht.

Auch ein gewisser Michael Stübgen (CDU) ließ Anfang Dezember öffentlich wissen, wonach es sich seiner Rechtsauffassung nach handele: »Sie sind organisiert, haben entsprechende Trainingsplätze und verabreden sich zu kriminellen Aktionen.« Aus seiner Sicht spreche »vieles dafür«, von der Bildung einer kriminellen Vereinigung auszugehen. Keine zwei Wochen später schickte die Neuruppiner Staatsanwaltschaft nun also Polizeibeamte in Wohnungen von Klimaaktivist*innen. Stübgen aber ist nicht irgendwer. Er ist Innenminister in Brandenburg.

Am Ende dürfte wenig vom strafrechtlichen Vorwurf übrig bleiben. Das gilt auch dann, wenn sich einzelne Aktivist*innen zweifellos strafrechtlich relevante Tätigkeiten zum Vehikel ausgesucht haben. Sie richten damit die öffentliche Aufmerksamkeit auf die Wand, auf die wir noch immer in viel zu hoher Geschwindigkeit zurasen. Macht das aber den Geist einer kriminellen Vereinigung aus?

So oder so sind solche Fragen zweitrangig gegenüber dem Aufeinanderprallen objektiver Widersprüche des kapitalistischen Patriarchats. Geradezu dankbar muss man sein, nicht nur den Aktivist*innen. Die haben sich aus im Einzelfall vielleicht nicht unbedingt stichhaltigen Motiven und Ideologien mit dem Staat angelegt. Dank gebührt aber eben auch all den Kommentator*innen, die in ihrem Mantra davon, wie nichtig doch das Treiben der »Klimakleber« sei, genau diese Nichtigkeit anzweifeln. Und damit auch die Ohnmacht gegenüber versteinerten Verhältnissen.

Der Staat bekämpft eine Truppe wie Staatsfeinde, die nichts weiter will, als dass er sich an seine eigenen Gesetze und Verpflichtungen hält. So gelingt es den Aktivistist*innen zum Preis von ein bisschen Strafverfolgung, bösen gelben Briefen und im schlimmsten Fall Geld- und kleineren Gefängnisstrafen, den Staat in seiner ganzen Hilflosigkeit vorzuführen.

Es ist die Hilflosigkeit gegenüber einer produktiv-destruktiven Maschinerie, die er selbst ins Leben ruft und notdürftig reguliert, deren Gesetzmäßigkeiten aber langfristig sowohl Staat als auch Maschinerie mit in den Abgrund zu reißen drohen. Mit der provozierten Adelung zur »kriminellen Vereinigung« polarisiert die Letzte Generation innerhalb eines Diskurses, in dem sich über Monate nur eine Minderheit zu einer Unterstützer*innenhaltung hatte mobilisieren lassen. Jetzt aber, da der Staat mit Kanonen auf Spatzen schießt, dürfte sich das ändern. Das hat auch mit der diskursiven Überreaktion auf den Verkehrsunfall am Rande einer A100-Blockade in Berlin zu tun, in der Anfang November gegen die Letzte Generation praktisch Mordvorwürfe erhoben worden waren.

Wieder einmal zeigt sich: Wer etwas erreichen will, darf nicht zögern im Angesicht möglicher Fehler oder trotzig verweigerter »Vermittelbarkeit«. Die Auseinandersetzung selbst stellt nämlich erst die Bedingungen her, unter denen sich kämpfen lässt.

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