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Ein Fest der Frauen

Beim diesjährigen US-Filmfestival Sundance waren Filme von und über Frauen besonders präsent

Teyana Taylor und Aaron Kingsley in »A Thousand and One«, der als Bester Film im Wettbewerb des US-Spielfilms ausgezeichnet wurde.
Teyana Taylor und Aaron Kingsley in »A Thousand and One«, der als Bester Film im Wettbewerb des US-Spielfilms ausgezeichnet wurde.

Was hat Schwitzen mit Empowerment zu tun? Eine Sauna mit Schwesternschaft?

Gewinner*innen des Sundance 2023

Bester US-Spielfilm: »A Thousand and One« von A.V. RockwellBeste US-Doku: »Going to Mars: The Nikki Giovanni Project« von Joe Brewster and Michèle StephensonBeste Regie – US-Spielfilm: Sing J. Lee für »The Accidental Getaway Driver«Beste Regie – US-Doku: Luke Lorentzen für »A Still Small Voice«Publikumspreis – US-Spielfilm: »The Persian Version« von Maryam Keshavarz Publikumspreis – US-Doku: »Beyond Utopia« von Madeleine GavinBester Welt-Spielfilm: »Scrapper« (UK) von Charlotte ReganBeste Welt-Doku: »The Eternal Memory« (Chile) von Maite AlberdiBeste Regie – Welt-Spielfilm: Marija Kavtaradze für »Slow« (Litauen/Spanien/Schweden)Beste Regie – Welt-Doku: Anna Hints für »Smoke Sauna Sisterhood« (Estland)Publikumspreis – Welt-Spielfilm: »Shayda« (Australien) von Noora NiasariPublikumspreis – Welt-Doku: »20 Days in Mariupol« (Ukraine) von Mstyslav ChernovFestival Favorite Award: »Radical« von Christopher Zalla

Auf den ersten Blick ist es eine einfache, isolierte Rauchsauna neben einem gefrorenen See im Süden Estlands, die an winterliche Urlaubsbilder erinnert. Doch dieser Ort dient als »Safe Space« (geschützter Raum) für Frauen, die sich von Ängsten, Scham und Traumata befreien und Kraft zurückgewinnen wollen. In diesem Raum werden die intimsten Geheimnisse und die schmerzvollsten Momente mitgeteilt. Die Geschichten sind mal leicht, mal erschütternd. Mal wird über Penis-Fotos gelacht, die ungefragt und ungewollt ihnen aus dem Internet zugesandt wurden, mal wird von Erfahrungen mit Fehlgeburt, Brustkrebs oder Vergewaltigung erzählt.

Die estnische Filmemacherin Anna Hints hat sich Zugang zu diesem besonderen Raum verschafft, in dem die Frauen ihren Schmerz regelrecht ausschwitzen. Ihr Dokumentarfilm »Smoke Sauna Sisterhood« (Rauchsauna-Schwesternschaft) beschäftigt sich mit einem Selbstermächtigungsprozess in Südestland. Wir sehen nackte, schwitzende Körper meist ohne Gesichter, während die Frauen berichten, was sie leibhaftig durchlebt haben. Es sind starke Bilder, keine erotischen und doch sehr intimen.

»Smoke Sauna Sisterhood« feierte auf dem diesjährigen Sundance-Filmfestival Premiere. Und Anna Hints gewann den Preis für die Beste Regie im Wettbewerb der Welt-Doku. Das Festival für unabhängige US-amerikanische und internationale Filme im US-Bundesstaat Utah, das am Sonntag zu Ende ging, fand dieses Jahr zum ersten Mal hybrid statt, nachdem es in den letzten zwei Jahren aufgrund der Pandemie nur digital erfolgte. Die Präsenzveranstaltung hatte laut der neuen Direktorin Joana Vicente Priorität, doch die Organisator*innen wollten zugleich auch nicht auf die digitale Möglichkeit verzichten, die das Publikum des Festivals durchaus ausgeweitet hat.

Sundance ist dafür bekannt, ein Ort für frische Ideen und innovative Werke zu sein und vor allem jüngeren Filmemacher*innen eine Plattform zur Verfügung zu stellen. In den vier Hauptwettbewerben des Festivals (US-Spielfilm, Welt-Spielfilm, US-Doku und Welt-Doku) wurden dieses Jahr jeweils zwölf Titel präsentiert. Viele davon waren Erstlingsfilme. 66 Prozent von den Wettbewerbstiteln wurden wiederum von Frauen gemacht. In der Sektion US-Doku waren sogar elf von zwölf Dokumentationen von Regisseurinnen gedreht. Auch ein Blick auf die Liste der Preisträger*innen macht deutlich, dass das diesjährige Sundance ein Fest der Frauen war. Allein in der Kategorie Welt-Film, haben Filmemacherinnen alle Preise (für den Besten Spielfilm, die Beste Doku, die Beste Spielfilm-Regie und die Beste Doku-Regie) abgeräumt.

Im Wettbewerb des US-Spielfilms wurde zudem das Langfilm-Debüt »A Thousand and One« der US-Regisseurin A.V. Rockwell als Bester Film ausgezeichnet. Das Drama handelt vom Leben einer Afroamerikanerin mit ihrem sechsjährigen Sohn in New York der 90er Jahre und begleitet sie fast zwei Jahrzehnte in einer von Gentrifizierung betroffenen Stadt.

Das Festival blieb nicht unbeeinflusst von den politischen Geschehnissen in der Welt. Neben zwei Dokumentarfilmen aus der Ukraine (»Iron Butterflies« und »20 Days in Mariupol«) gab es im Wettbewerb des diesjährigen Sundance noch drei Filme (zwei Spielfilme und eine Dokumentation) von iranischstämmigen Regisseurinnen, die sich mit dem Leben der Frauen im Iran und in der Diaspora beschäftigten.

Das Spielfilmdebüt »Shayda« von der in Teheran geborenen und in Australien aufgewachsenen Regisseurin Noora Niasari erzählt von einer Iranerin namens Shayda (gespielt von Zar Amir Ebrahimi), die mit ihrer sechsjährigen Tochter in einem Frauenhaus in Australien Schutz vor Gewalt ihres religiösen Ehemanns gefunden hat. Kaum ist sie dabei, eine fragile Freiheit zu erleben, taucht der Mann wieder auf und will das Kind mit in den Iran nehmen.

Die Geschichte basiert auf der Biografie der Regisseurin, die selbst in Australien von ihrer Mutter aufgezogen wurde. Um die Lücken in ihrer Kindheit füllen zu können, bat Noora Niasari vor fünf Jahren ihre Mutter, deren Memoiren aufzuschreiben. Das diente später als Stoff für das Drehbuch dieses Films. Dieses Werk sei »ein Liebesbrief an Mütter und Töchter«, so die Regisseurin, die den Film ihrer Mutter und allen mutigen Iranerinnen gewidmet hat. Dass die Premiere nun mit einer Revolution zusammentrifft, die die Frauen in ihrer Heimat angestoßen haben, hat sie nicht ahnen können.

Eine andere Mutter-Tochter-Geschichte erzählt die iranisch-US-amerikanische Regisseurin Maryam Keshavarz mit ihrer Dramedy »The Persian Version« und bringt uns auf die andere Seite der Welt, nach New York, wo die junge Frau Leila, die zwischen zwei Kulturen aufgewachsen ist, eine komplizierte Beziehung mit ihrer Mutter hat, die ihre Art des Lebens und des Liebens nicht akzeptieren kann. Um die Mutter besser zu verstehen, beginnt Leila, über sie zu schreiben. »The Persian Version«, der im Wettbewerb des US-Spielfilms präsentiert wurde, ist die Geschichte einer iranischen Familie voller Geheimnisse und Wiedersprüche. Die Dokumentation »Joonam« der iranischstämmigen US-Künstlerin und Regisseurin Sierra Urich wiederum ist eine filmische Annäherung an ihre eigene Familiengeschichte. Die in Vermont Aufgewachsene porträtiert in ihrem Debüt drei Generationen der Frauen und deren persönliche Verhältnisse zum Iran.

Es scheinen die jüngeren iranischen oder iranischstämmigen Regisseurinnen wegen des Frauenaufstands im Iran nun besser wahrgenommen zu werden. Schaut man sich an, welche iranische Filmemacher*innen bis jetzt der internationalen Kino-Welt ein Begriff waren, stößt man fast nur auf Männernamen; Abbas Kiarostami, Bahman Ghobadi, Jafar Panahi, Mohammad Rasulof, Asghar Farhadi. Nun sollen die großen internationalen Filmfestspiele mit neuen Namen auf der Liste rechnen. Sundance ist dabei – wie in vielen anderen Hinsichten – der Wegbereiter. 

Bemerkenswert am diesjährigen Festival war außerdem, dass die beiden iranischen Geschichten »Shayda« und »The Persian Version« jeweils die Publikumspreise des Welt-Spielfilms und des US-Spielfilms gewonnen haben, während die ukrainische Doku »20 Days in Mariupol« von Mstyslav Chernov den Publikumspreis der Welt-Doku erhielt. Auch die Zuschauer*innen scheinen mit ihrer Wahl eine bestimmte Botschaft mitteilen zu wollen.

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