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Wuppertal: Linksradikale gegen Ditib-Moschee an der Gathe
In Wuppertal fürchtet das Autonome Zentrum verdrängt zu werden
Gut 50 Linke stehen am Mittwochabend vor der Sparkassenfiliale in der Schwebebahnstation am Wuppertaler Hauptbahnhof. Hier tagt die Bezirksvertretung des Stadtteils Elberfeld. Auf der Tagesordnung steht der Zielbeschluss Moschee an der Gathe. Die Gathe ist eine von Wuppertals Haupteinfallstraßen. Die Straße ist etwas heruntergekommen, es gibt viele Leerstände. Sonst reihen sich hier Wettbüros, Gemüseläden und Barbershops aneinander. Auf einem großen Gelände stehen Dutzende alte Autos, auch sonst wirkt das Gelände verwildert. Das soll sich, wenn es nach der Wuppertaler Stadtverwaltung und der lokalen Ditib-Gemeinde (Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion) geht, ändern. Für 30 Millionen Euro will die Gemeinde hier eine neue Moschee bauen, außerdem sollen auf dem Gelände eine Kindertagesstätte, ein Seniorenzentrum und Wohnungen für Studierende entstehen.
Allerdings müsste für die Pläne der Ditib auch das Autonome Zentrum, das sich seit Ende der 1990er Jahre in einem städtischen Gebäude an der Gathe befindet, weichen. Dagegen wehren sich die Autonomen. Etwa mit ihrem Besuch bei der Bezirksvertretungssitzung. Diese kommt am Mittwochabend zu einem überraschenden Ergebnis. Bis auf die SPD unterstützt keine Partei den Beschluss für den Moscheebau. Zu viele offene Fragen sehen die anderen Parteien. Wo soll das Autonome Zentrum hin? Wie groß ist der Einfluss des türkischen Staates bei der Ditib? Da hilft es auch nicht, dass Vertreter der Stadtverwaltung betonen, dass es sich um ein städtebauliches Projekt handele und man mit der lokalen Ditib gute Erfahrungen gemacht habe.
Doch die Vorbehalte gegen Ditib bestehen, und sie sind begründet. Immer wieder haben Gemeinden des Vereins, der der türkischen Religionsbehörde Diyanet unterstellt ist, in den letzten Jahren für negative Schlagzeilen gesorgt. Kinder, die in Uniformen Szenen des Ersten Weltkriegs nachstellen, antisemitische Predigten und Spionagetätigkeiten von Ditib-Imamen sind dafür nur die bekanntesten Beispiele. Harmlos ist auch die Wuppertaler Gemeinde nicht. Anwohner der Gathe haben kürzlich in einem Offenen Brief über einen Vortrag des Historikers Mehmet Işık in der bestehenden Moschee informiert. Işık verharmlost in seinem Youtube-Kanal den Genozid an den Armeniern. In einem Buch über eine Geheimorganisation aus dem Osmanischen Reich markiert er »Zionisten« und »Evangelisten« als Feinde, von denen die Welt in Brand gesetzt worden sei.
Tim aus dem Autonomen Zentrum findet es problematisch, dass der Ditib durch das Gemeindezentrum die Möglichkeit gegeben wird, »ihren Einfluss gerade auch auf Jugendliche auszuweiten«. Die Deutschtürken seien eine wichtige Wählergruppe für Erdoğans AKP. Dass der Wuppertaler Rat in seiner Sitzung Anfang März das Prestigeprojekt durchwinken möchte, betrachtet er als »Wahlkampfgeschenk für Erdoğan«.
Warum will die Stadt das Großprojekt der Ditib unbedingt? Die Antwort von Tim fällt zweigeteilt aus. Einerseits sieht er ein mangelndes politisches Bewusstsein bei den Verantwortlichen. Der wichtigere Grund sei aber ein anderer: »Die Ditib bietet ein Prestigeprojekt, mit dem sich die Stadtverwaltung schmücken kann, ohne groß eigene finanzielle Mittel einsetzen zu müssen.« Die einstmals »beliebte und belebte« Gathe sei zu einem »Autobahnzubringer« verkommen. Die Stadt habe sich lange nicht um die Probleme der Anwohner*innen gekümmert. Tim sieht das Moscheebauprojekt auch als Versuch der Stadtteilaufwertung. Er befürchtet, dass nicht nur das Autonome Zentrum verdrängt werden soll, sondern auch viele Anwohner*innen, »weil sie sich die steigenden Mieten nicht mehr leisten können.«
Dass es um die Aufwertung des Stadtteils geht, daraus machen die Wuppertaler Parteien kein Geheimnis. Die Fraktionsvorsitzende der CDU, Caroline Lünenschloss, erklärt etwa in der »Wuppertaler Rundschau«, dass man sich »einen Impuls für grundsätzlich mehr Aufenthaltsqualität an der Gathe« verspricht. Man hofft darauf, dass Wettbüros verdrängt werden. Das Ditib-Projekt sei »eine große Chance für die Gathe, wo es ja angesichts der aktuellen Situation nur besser werden kann«, erklärt ein anderer CDU-Politiker. In ihrer Stellungnahme verweisen die Christdemokraten darauf, dass die Ditib nur die Moschee betreiben soll, andere Teile des Projekts wie Kita und Seniorenzentrum sollten andere Betreiber finden, außerdem soll es einen Beirat geben, der bei allen Entscheidungen das Projekt betreffend beteiligt werden soll. Man habe das »feste Vertrauen in das Versprechen von Offenheit, Transparenz sowie finanzieller Unabhängigkeit von der Türkei«, so das Fazit der CDU. Ähnliches ist von SPD und Grünen aus dem Stadtrat zu hören. Das abweichende Votum aus der Bezirksvertretung scheint die Parteien nicht zu stören.
Bleiben also die Autonomen als Gegner des Ditib-Moscheeneubaus. Linke gegen eine Moschee. Haben die Autonomen Sorge vor Applaus von der falschen Seite? Bei Konflikten um Großmoscheen etwa in Duisburg oder Köln waren es vor allem rechtspopulistische bis neonazistische Gruppen, die gegen die Bauten mobil gemacht hatten. Die Antwort von Tim aus dem AZ fällt differenziert aus. Es sei natürlich zu erwarten, dass sich Faschist*innen gegen die Moschee aussprechen, auch wenn es dafür in Wuppertal bisher keine ernsthaften Versuche gegeben habe. »Sollten die irgendwo auflaufen, werden wir ihnen entschlossen entgegentreten und sie zurück in ihre Löcher jagen«, erklärt Tim. Das größere Problem sieht der Autonome darin, dass Muslim*innen als »homogene Masse« wahrgenommen würden. Rechte wollten einfach keine Migrant*innen, Linksliberale verschlössen ihre Augen »gegenüber reaktionären Bestrebungen in migrantischen Communities«. Türkische, kurdische und armenische Linke würden allzu oft alleingelassen, wenn sie Bedrohungen etwa von Grauen Wölfen oder Islamist*innen ausgesetzt seien. Es geht den Wuppertaler Autonomen also um die politische Ausrichtung der Ditib und nicht um eine generelle Gegnerschaft zu einem Moscheeneubau.
Wie es für das Autonome Zentrum weitergeht, ist ungewiss. Zwar spricht sich sogar die CDU dafür aus, dass ein Ersatzobjekt gefunden werden muss, doch »ernsthafte Gespräche« mit der Verwaltung habe es noch nicht gegeben, erzählt Tim. Alternativangebote für einen neuen Standort gab es nicht. Weg von der Gathe will das AZ nicht. »Wir sind ein Teil der Gathe und wollen nicht dabei zuschauen, wie eine so problematische Entwicklung losgetreten wird.« Bis zur Ratssitzung im März soll unter anderem in einer Podiumsdiskussion zur Gefährlichkeit der Ditib für das Thema sensibilisiert werden.
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