- Kultur
- »Final Cut of the Dead«
Überforderte Choleriker drehen einen Film
Michel Hazanavicius dreht mit »Final Cut of the Dead« ein gelungenes Remake eines berühmten japanischen Horrorfilms
Das Schöne am Meta-Kino ist, dass es jedem Abgleich mit der Wirklichkeit enthebt. Bei Filmen, die sich primär und fast ausschließlich auf andere Filme beziehen, entfällt der Bezug zwischen den Bildern und der eigenen, ja nicht immer unkomplizierten, Wirklichkeit. Es machen sich Selbstbezüglichkeit und angenehme Unverbindlichkeit breit.
Filme über Filme können auf andere Weise dann aber wieder sehr anstrengend sein. Nämlich eitel, nerdig und klugscheißerisch-clever. Michel Hazanavicius bemüht sich in seinem Meta-Kino darum, seine von filmhistorischen Traditionen ausgehenden Filme leicht und schwebend wirken zu lassen. »The Artist« funktionierte prima als radikal harmlose Hommage an die Stummfilm-Ära. Das Komödien-Biopic »Godard Mon Armour« rechnete eines der kompliziertesten Gesamtwerke des Kinos auf eine tatsächlich sehr lustige Reihe von Witzen über die Idiosynkrasien und Beklopptheiten Godards runter.
Jetzt hat Michel Hazanavicius einen Zombiefilm gedreht, »Final Cut of the Dead«. Zombiefilme sind seit mindestens zwanzig Jahren per se schon zitatreiche Angelegenheiten, bei der die Metaebene automatisch präsenter mitläuft als in anderen Horror-Subgenres. Das ergibt im Extremfall eine juxverliebte Dauerironie, die dann auch wieder sehr enervierend sein kann.
»Final Cut of the Dead« ist nun eine einzige, allerdings sehr charmante Spielerei geworden. Ein Remake des japanischen Zombiefilms »One Cut of the Dead« von 2017, der selbst schon als gut gelaunte Meta-Spielerei konstruiert wurde. »One Cut of the Dead« handelt vom Treiben am Set eines billig produzierten Zombiefilms und beginnt mit einer nahezu halbstündigen Plansequenz, in der es immer wieder hakt und die Schauspieler*innen durcheinanderschreien oder auch mal hilflos in der Gegend rumstehen.
Kurz bevor man abschalten will, weil man denkt, das geht den ganzen Film über so weiter, hüpft das Geschehen abrupt auf eine andere Erzählebene und zeigt die Vorbereitungen zum Filmdreh und dann den chaotischen Dreh selbst, also den Dreh, mit dessen Resultat, der Plansequenz, »One Cut of the Dead« beginnt. Was im Ergebnis eine komische und von Herzen kommende Liebeserklärung an den Genrefilm im Allgemeinen und an vom Sparzwang und von eigenem Unvermögen gebeutelte Filmcrews im Besonderen ergibt.
Hazanavicius’ Remake »Final Cut of the Dead« dreht die Schraube noch eins weiter und nimmt den Originalfilm mit in seine filmische Welt hinein. Der semi-erfolgreiche Regisseur Rémi (Romain Duris) übernimmt den Auftrag, für ein französisches Streaming-Portal einen japanischen Zombiefilm nachzudrehen und das in einem Take als Livestream. Eine veritable Schnapsidee. Die Produzentin der sich abzeichnenden Misere wird von derselben Schauspielerin wie in »One Cut of the Dead« gespielt. »Final Cut of the Dead« lässt Witze über die angeblichen und tatsächlichen Unterschiede zwischen japanischem und französischem Filmverständnis immer mal wieder mitlaufen, aber das ist nicht die Hauptquelle des Humors.
Die Komik geht hier so: Vom Leben verunsicherte Choleriker, Narzissten und Alkoholiker versuchen ein Projekt über die Bühne zu bringen, live, das sie technisch, logistisch und emotional tendenziell überfordert. Die Resultate sind unter anderem Durchfall, zertrümmertes Equipment, Erbrochenes und ein graduell gelöster Vater-Tochter-Konflikt. Das ist alles recht vergnüglich. Der Versuch, über die Vater-Tochter-Beziehung so etwas wie emotionale Tiefe herzustellen, ohne Ironie und Meta-Ironie, versandet dagegen eher. Wenn schon Meta-Kino, dann richtig, ohne emotionalisierende Restbestände.
»Final Cut of the Dead«: Frankreich 2022. Regie und Drehbuch: Michel Hazanavicius. Mit: Bérénice Bejo, Romain Duris, Matilda Anna, Ingrid Lutz. 110 Minuten, Start: 16.2.
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