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Ringen um das Kinderhaus
Womöglich kann die Kita in der Kreuzberger Naunynstraße bleiben, obwohl der Träger bereits den Abschied verkündet
Eine Kita weniger in Kreuzberg? Am 31. Juli schließt das Unionhilfswerk das Montessori-Kinderhaus in der Naunynstraße. Grund sind laut Träger der Einrichtung die seit Jahren steigenden Mietkosten im Bezirk. »Leider ist die Kitafinanzierung nicht darauf ausgerichtet, Mietobjekte mit ständig steigenden Gewerbemieten beziehungsweise hohem Sanierungsbedarf zu erhalten«, so das Unionhilfswerk in einer Mitteilung. Hoffnung für die Kita gibt es nur, wenn der Bezirk einen neuen Träger für diese findet.
Das Montessori-Kinderhaus gibt es in der Trägerschaft des Unionhilfswerks seit 1989 und liegt im Seitenflügel und Quergebäude eines sanierten ehemaligen Fabrikgebäudes. 63 Plätze fielen durch die Schließung der Kita weg, sagt Gina Schmelter, Pressesprecherin des Unionhilfswerks, zu »nd«. Der Träger bietet Ausweichmöglichkeiten an: Zwei Kitas im angrenzenden Bezirk Neukölln stehen zur Verfügung, um die Kinder ab Sommer zu betreuen, eine in der Böhmischen Straße und die Kita Beerenstark in der Weserstraße, die in den vergangenen Jahren aufgrund einer Komplettsanierung geschlossen war. Die Wiederöffnung werde im zweiten Quartal dieses Jahres stattfinden, so Schmelter.
123 Plätze sollen dann zur Verfügung stehen. »Die meisten Eltern haben Interesse für unsere Kita Beerenstark in der Weserstraße signalisert«, sagt Schmelter. Diejenigen, die im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg wohnten und dort ihre Kinder unterbringen wollten, würden durch das Bezirksamt bei der Suche nach einem Betreuungsplatz unterstützt. »13 Eltern haben bereits in Kitas anderer Träger eine Betreuung für ihre Kinder gefunden«, sagt die Sprecherin des Unionhilfswerks. Der Träger versichert außerdem, alle Arbeitsplätze zu erhalten, die Pädagog*innen könnten als Team in der Böhmischen Straße weiterarbeiten.
Nicht alle Eltern zeigen sich besänftigt durch die Angebote der Trägers, denn sie wollen ihre Kita in Kreuzberg behalten. So starteten sie vor etwa einem Monat eine Petition auf der Plattform Change.org, um die Schließung des Montessori-Kinderhauses zu verhindern, die inzwischen 659 Unterschriften erhalten hat. »Es handelt sich nicht nur um eine funktionierende und voll ausgestattete Kita, sondern viel mehr um eine soziale Basisinstitution auch für zukünftige Familien«, so heißt es in der Petition.
Die Eltern schreiben, der Verlust der Kita werde »eine drastische Lücke in unserem Bezirk, Kiez und unserem sozialen Gefüge hinterlassen«. Es sei untragbar, dass im Bezirk künftig 63 Kitaplätze weniger zur Verfügung stünden, dass Eltern alleine gelassen und Kinder aus ihrer gewohnten Umgebung gerissen würden.
»Eltern und Kinder würden gerne am Standort bleiben. Wir verstehen das«, sagt auch Schmelter. Um eine Eingewöhnung zu erleichtern, biete das Unionhilfswerk an, Kindergruppen samt Bezugsbetreuerinnen als erste in die dann wiedereröffnete Kita Beerenstark in der Neuköllner Weserstraße aufzunehmen.
Jurist Stefan Klein von Kiezgewerbe, einer Beratungsorganisation für von Verdrängung bedrohte Kleingewerbe, kennt die schwierige Situation für Kitas in Kreuzberg und auch den Fall in der Naunynstraße. »Hier hat der Träger die Entscheidung getroffen, dass der Betrieb des Kinderhauses nicht mehr wirtschaftlich ist«, sagt Klein. Das Kinderhaus selbst könne sich zwar um einen neuen Träger bemühen, der bereit wäre, die Einrichtung zu übernehmen und die Kitaplätze am Standort zu erhalten. »Wenn der Betrieb aber für das Unionhilfswerk durch die hohen Mietkosten nicht wirtschaftlich ist, dann wird das für andere Träger nicht anders sein«, sagt der Jurist.
Dass Gewerbemieten weitestgehend unreguliert anstiegen, bringe insbesondere Kitas in Bedrängnis, weil diese kaum Möglichkeiten hätten, ihre Einnahmen entsprechend zu steigern. »Kitas können dann nichts anderes machen, als zu schließen«, sagt Klein.
Mehr Kinder aufzunehmen, als Platz und Personal zur Verfügung stehe, gehe nun mal einfach nicht. Das Land Berlin bezahle einen fixen Tagessatz pro Kind, der aber nicht an steigende Mietkosten angepasst werde. »Wenn die Mietausgaben so hoch sind, dass der Satz nicht mehr ausreicht, dann kann die Kita nicht weitermachen«, macht der Jurist deutlich.
Auf Landesebene müssten also die Sätze entsprechend angepasst werden, um Kitas gerade in Kiezen mit explodierenden Mietkosten zu erhalten. Es sei aber auch keine strukturelle Lösung, steigende Gewerbemieten durch öffentliche Gelder zu bezahlen. »Es braucht ein neues Gewerbemietrecht auf Bundesebene«, sagt Klein.
So sieht es auch das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg. »Nach Kenntnisstand des Jugendamtes gibt es keine Möglichkeiten, bei Gewerbemieten gegen steigende Mietpreise vorzugehen. Hier müssten gesetzliche Regelungen entwickelt werden, die Mieträume für soziale Angebote zu schützen«, sagt Tim Styrie, ein Sprecher des Bezirksamts, zu »nd«.
Um die Räume in der Naunynstraße dennoch als Kita zu erhalten, habe sich Familienstadträtin Regine Sommer-Wetter (Linke) bereits an den Eigentümer gewendet, der allerdings noch nicht geantwortet habe. In Abstimmung mit den Eltern der Kita, der Kitaaufsicht, der Familiensenatsverwaltung und dem bezirklichen Jugendamt strebe man die Übernahme der Kita durch einen anderen Träger an. »Dem Jugendamt sind fünf Träger bekannt, die an einem Weiterbetrieb der Kita interessiert sind«, so Styrie. Sobald alle Rahmenbedingungen geklärt seien, könne mit den Eltern beraten werden, wie ein geeigneter Träger ausgewählt beziehungsweise gewonnen werden könne.
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