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Waldbrände und Emissionen: Teufelskreis in der Taiga
CO2-Emissionen aus borealen Waldbränden stiegen 2021 auf ein neues Rekordniveau
Die Welt schaut besorgt auf die CO2-Emissionen der brennenden Regenwälder in Amazonien. Doch tatsächlich gehen gerade die Wälder des hohen Nordens immer häufiger in Flammen auf, wodurch immer mehr Kohlenstoff in die Atmosphäre gelangt. Laut einer neuen in »Science« veröffentlichten Studie haben deren Treibhausgasemissionen 2021 alle Rekorde gebrochen. Die extremen Waldbrände am Polarkreis setzten in dem Jahr doppelt so viel Kohlendioxid frei wie die gesamte globale Luftfahrt.
Die sogenannten borealen Wälder wie die Taiga in Sibirien erstrecken sich rund um die Nordhalbkugel von Skandinavien über Russland nach Kanada und Alaska und bedecken eine Fläche von rund 15 Millionen Quadratkilometern. Es ist damit die größte Waldregion der Erde, mehr als doppelt so groß wie das Amazonasgebiet. Gleichzeitig ist sie vom Klimawandel stärker bedroht, weil die globale Erwärmung in der Arktis viel höher ist als in den gemäßigten Zonen oder den Tropen.
Durch Blitzeinschläge in den Sommermonaten ausgelöste Feuer sind zwar natürlicher Bestandteil des borealen Waldökosystems. Zunehmende Dürren und Hitzewellen, die wahrscheinlich auf den bereits eingesetzten Klimawandel zurückzuführen sind, bedingen seit einigen Jahren vermehrte Flächenbrände.
2021 war eines der schlimmsten Waldbrandjahre seit der Jahrhundertwende und dies vor allem in der borealen Zone. Russland alleine verlor fünf Millionen Hektar Taiga. Insgesamt wurde 30 Prozent mehr nördlicher Wald ein Raub der Flammen als im Sommer 2020.
»Extreme Waldbrände werden immer häufiger und beeinträchtigen zunehmend das Klima der Erde«, bestätigt nun die von 18 Wissenschaftlern aus mehreren Ländern erstellte Studie »Record-high CO2 emissions from boreal fires in 2021«. Die Forscher unter der Leitung von Bo Zheng von der Tsinghua-Universität in Peking nutzten Satellitendaten, um die Kohlendioxidemissionen von Waldbränden im hohen Norden abzuschätzen. Konkret werteten sie für ihre Studie die Daten des Nasa-Beobachtungssatelliten »Terra Earth« aus, der seit dem Jahr 2000 kontinuierlich die Verschmutzung in der Troposphäre – der untersten Schicht der Atmosphäre – misst.
Dabei fanden sie heraus, dass boreale Waldfeuer, die normalerweise zehn Prozent der weltweiten CO2-Emissionen von Flächenbränden ausmachen, im vergangenen Jahr einen Anteil von 23 Prozent daran hatten und rund 480 Millionen Tonnen Kohlenstoff in die Atmosphäre abgaben. Dies sei »der bei weitem höchste seit 2000 gemessene Anteil an den globalen Feueremissionen«, so die Studie.
Extreme Waldbrände werden häufiger
Die Forschungsergebnisse zeigten einen deutlich zunehmenden Trend von Feueremissionen gerade über der borealen Region, während die CO2-Freisetzung durch Waldbrände in den Tropen von 2000 bis 2021 leicht zurückgegangen ist.
Besonders besorgniserregend für die Klimawissenschaftler ist dabei, dass boreale Wälder in der Regel eine hohe Kohlenstoffdichte aufweisen. Gehen sie in Flammen auf, setzen sie zehn- bis zwanzigmal so viel Kohlenstoff pro verbrannter Flächeneinheit frei wie andere Ökosysteme. Gleichzeitig aber erholen sie sich langsamer nach den Bränden als Wälder wärmerer Regionen.
»Unseren Messungen zufolge haben boreale Brände im Jahr 2021 alle früheren Rekorde gebrochen«, resümiert Co-Autor und Erdsystemwissenschaftler Steven Davis von der Universität von Kalifornien. Leider aber werde selbst dieser neue Rekord möglicherweise nicht lange Bestand haben. »Boreale Wälder könnten eine Zeitbombe aus Kohlenstoff sein, und der jüngste Anstieg der Emissionen von Waldbränden, den wir beobachten, macht mir Sorgen, dass die Uhr tickt«, warnt Davis in einer Pressemitteilung.
Auch nach Meinung des Forschungsleiters Bo Zheng werde sich die Situation mit steigenden Temperaturen wahrscheinlich verschärfen. »Wir sind mit gefährlichen positiven Rückkopplungen zwischen Klima und borealen Bränden konfrontiert«, so Zheng. Hitzewellen und Dürren werden in der borealen Region wahrscheinlich häufiger auftreten, und die Häufigkeit und Intensität extremer Waldbrände wie im Jahr 2021 wird möglicherweise zunehmen. Dies wiederum verstärke den Klimawandel und damit die globale Erwärmung. Ein Teufelskreis.
Klimawandel im Norden schneller
Bereits 2019 warnten Forscher, dass große Teile der Wälder im Norden verschwinden werden. »Im Norden vollzieht sich der Klimawandel besonders schnell, die Ökosysteme sind nicht daran angepasst und damit besonders verletzlich«, so der Feuerökologe Johann Goldammer vom Global Fire Monitoring Center. »Wir werden große Teile der Wälder dort verlieren. Und dieser zusätzliche Kohlenstoffeintrag in die Atmosphäre wird den Klimawandel noch weiter antreiben.« Dies sei bereits in Sibirien in der Transbaikal-Region deutlich erkennbar. Einstige Waldgebiete wurden nach vermehrten Bränden und Abholzungen zur Steppe.
Um die Waldfeuer und die klimatischen Veränderungen der borealen Waldregion noch besser überwachen und bewerten zu können, brauche es neben den Satellitendaten auch Bodenmessungen vor Ort, resümiert Philippe Ciais von der Universität Paris-Saclay, der gleichfalls an der Studie mitarbeitete. Aber der Bruch der wissenschaftlichen Beziehungen zu Russland, Heimat des größten borealen Gebiets der Welt, nach der Invasion in der Ukraine behindere dies. Ciais: »Wir werden mehrere Jahre verlieren, bevor wir offiziell die Daten erhalten, die wir für die borealen Regionen Russlands und Sibiriens benötigen.«
Der Waldgürtel des hohen Nordens ist aber nicht nur vom Klimawandel bedroht. Großflächige Rodungen für die industrielle Holznutzung und Zellstoffproduktion reduzieren und zerstückeln ihn Jahr um Jahr.
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