- Politik
- Behörden Spiegel
Kritische Berichterstattung unerwünscht
Europäischer Polizeikongress: Veranstalter verweigert Medien erneut die Teilnahme
Der »Europäische Polizeikongress« ist eine der größten Veranstaltungen dieser Art in Europa. Zum 23. Mal trafen sich am Mittwoch und Donnerstag Repräsentant*innen von Polizei- und Sicherheitsbehörden mit Vertreter*innen von Politik und Industrie. Auf der Tagesordnung stehen Themen, die an kontroverse öffentliche Debatten anknüpfen und deshalb von öffentlichem Interesse sind.
Dazu gehörte dieses Jahr ein Podium zum »EU-Grenzmanagement« mit Beteiligung des stellvertretenden Frontex-Direktors Lars Gerdes, der als früherer Ausbilder bei der Bundespolizei seit einem Jahr Abschiebungen bei der EU-Grenzbehörde koordiniert. Zum Komplex »Bereitschaftspolizei heute und morgen« durfte Wilhelm Sauer über seine Erfahrungen referieren. Er war Einsatzleiter der Räumung im Braunkohledorf Lützerath. In einem der zahlreichen Fachforen ging es um den polizeilichen Einsatz Künstlicher Intelligenz. Darüber sprach der Leiter der zum Bundeskriminalamt gehörenden Hackerbehörde ZITiS, Wilfried Karl.
Veranstaltet wird der Kongress vom Behörden Spiegel, der auflagenstärksten Zeitung für den öffentlichen Dienst in Deutschland. Wer nun denkt, das öffentliche Interesse und die Tatsache, dass eine Zeitung als Veranstalterin fungiert, garantiere Journalist*innen den Zugang, irrt: Dem Autor dieses Textes wurde die Zulassung verweigert. Auf die Anfang April eingereichte Akkreditierungsanfrage folgte nach rund einer Woche eine Absage mit der Begründung, zur Konferenz sei »nur Tagespresse zugelassen«. Nach mehreren Nachfragen und einer Mitteilung, dass eine Redaktionsbestätigung des tagesaktuellen Mediums »nd« vorliege, antwortete Marco Feldman, leitender Redakteur für Innere Sicherheit beim Behörden Spiegel im Namen der Chefredaktion, dass eine Zulassung weiterhin nicht denkbar sei. Nachfragen dazu ließ er unbeantwortet.
Es ist nicht das erste Mal, dass Journalist*innen von dieser Veranstaltung ausgeschlossen werden. In den letzten Jahren erhielten etwa Medienschaffende von »netzpolitik.org« Absagen auf ähnliche Weise. Wie das Onlinemedium 2021 berichtete, hatte dies System: »Seit vielen Jahren versuchen verschiedene Mitglieder unserer Redaktion, sich für den Polizeikongress zu akkreditieren. Jedes Mal werden wir abgelehnt«, schrieb Redakteur Andre Meister.
2015 hatte das damals an der Tagung teilnehmende Bundesinnenministerium die Ablehnungspraxis kritisiert und erklärt, »dass immer bei öffentlichen Veranstaltungen ein freier Zugang für die Presse zu gewährleisten ist. Das erstreckt sich auch natürlich auf den Europäischen Polizeikongress«. Ähnlich äußerte sich der Deutsche Journalisten-Verband.
Dieses Jahr wollte sich das Innenministerium offenbar nicht aus dem Fenster lehnen. Auf nd-Nachfrage riet es lediglich, sich an den Veranstalter zu wenden. Kritik ruft die Praxis aber auch heute hervor. Paula Zimmermann, Expertin für Meinungs-, Presse- und Versammlungsfreiheit bei Amnesty International in Deutschland, erinnert an das »hohe Gut der Presse- und Informationsfreiheit«, das demnach vom Behörden Spiegel nicht berücksichtigt wurde. »Vor allem dort, wo ein besonderes öffentliches Interesse besteht, müssen die Voraussetzungen für eine vielseitige und kritische Berichterstattung geschaffen werden«, erklärte Zimmermann gegenüber »nd«.
Ein Blick auf die Sponsoren und Teilnehmenden der Konferenz erklärt, warum kritische Berichterstattung unerwünscht sein könnte. Dazu gehört etwa die israelische NSO-Group, die in den letzten Jahren mit ihrer Überwachungssoftware »Pegasus« Negativschlagzeilen machte, denn Regierungen auch in Europa haben damit Abgeordnete und Journalist*innen abgehört. Ebenfalls an Bord ist das US-Datenanalyseunternehmen Palantir, das seinen Europa-Standort in der Schweiz hat und zum Firmenimperium des rechtslibertären US-Milliardärs Peter Thiel gehört. Ein Mitarbeiter hielt auf dem »Polizeikongress« einen Vortrag zur Digitalisierung in Sicherheitsbehörden.
Gerade vor diesem Hintergrund des Zusammentreffens privater und öffentlicher Akteure ist es zusätzlich problematisch, dass vonseiten des Behörden Spiegels Teilen der Presseöffentlichkeit der Zugang zu den auf dem Kongress besprochenen Themen und anwesenden Personen erschwert oder gar verunmöglicht wird. Damit behindert die Zeitung die Presse- und Informationsfreiheit. Und die Praxis zeigt Wirkung: Das Portal »netzpolitik.org« teilte auf nd-Anfrage mit, man habe dieses Jahr keine Akkreditierung mehr beantragt.
.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.