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Auf dem Weg zur Präzisionsmedizin

Diabetes Typ 2 könnte in der Diagnostik bald durch Subtypen ergänzt werden

Jährlich erkranken in Deutschland mehr als eine halbe Million Menschen neu an Diabetes. Die Diagnose haben bereits 8,7 Millionen Menschen erhalten, Mediziner rechnen mit einer Dunkelziffer von 2 Millionen. Angesichts dieser Zahlen sind Neuerungen in Diagnostik und Therapie für einen immer größeren Patientenkreis von Bedeutung. Die Deutsche Diabetes-Gesellschaft gab vor ihrer Jahrestagung Ende der kommenden Woche an diesem Mittwoch einen Überblick zu Innovationen und Wiederentdeckungen.

Dass es grob zwei große Gruppen des Diabetes gibt, dürften die meisten Menschen wissen: einen unheilbaren Typ-1-Diabetes sowie den Typ 2, der erst im späteren Lebensverlauf auftritt. Hinzu kommt Gestationsdiabetes, der sich bei knapp sieben Prozent der Schwangeren zeigt und deren Risiko erhöht, später erneut an einem Diabetes zu erkranken. In Zukunft werden aber weitere Subtypen immer wichtiger. Dies zu diagnostizieren, soll helfen, jene Patienten zu identifizieren, die ein besonders hohes Risiko für bestimmte Komplikationen haben, wie Julia Szendrödi erklärt. Die Ärztin ist am Universitätsklinikum Heidelberg tätig.

Für den Typ-2-Diabetes sind aktuell vier Subtypen absehbar: der schwere Insulinmangel-betonte Diabetes, der schwere Insulinresistenz-betonte Diabetes sowie zwei moderate Formen, eine mit Übergewicht verbunden, die andere auf das Alter bezogen. Besonders kritisch sieht es für Menschen mit den beiden erstgenannten Formen aus. Bei der Insulinmangel-Version versagen die Beta-Zellen der Bauchspeicheldrüsen schon früh; diese Patienten leiden oft an Neuropathien als Folge des Diabetes. Diese Nervenschmerzen zeigen sich zuerst als Kribbeln, Brennen oder Taubheitsgefühl vor allem in den Füßen und Unterschenkeln. Insgesamt schätzt Szendrödi, dass die beiden Subtypen mit dem höheren Schweregrad bei bis zu 35 Prozent der Typ-2-Diabetiker auftreten.

Die Bestimmung dieser Subtypen ist jedoch noch nicht abgeschlossen. In der Forschung müssen dafür Patientencluster gebildet werden. Die Kriterien für die jeweilige Zuordnung sollten im klinischen Alltag praktikabel sein, sagt Szendrödi. Das ist noch nicht der Fall, unter anderem fehlen auch wissenschaftlich bestätigte Therapieempfehlungen für die Subtypen. Dennoch eröffnet aus Sicht der Diabetologen unter anderem deren Bestimmung den Weg hin zu individualisierten Therapien, wenngleich das heute außerhalb von Studien noch Zukunftsmusik ist.

Bei aller Hightech-Medizin gibt es gerade bei Diabetes Typ 2 jedoch lange bewährte Möglichkeiten, die Krankheit über geeignete Ernährung und mehr Bewegung aufzuhalten. Selbst Mediziner haben hier nicht immer großes Zutrauen, entsprechend gering ist die Motivation vieler Patienten, dabei aktiv mitzuwirken. Umgekehrt wollen Patienten ihren Lebensstil nicht ändern, weshalb Mediziner das nicht ernsthaft thematisieren. Ähnlich sieht das Diana Rubin, Chefärztin am Zentrum für Ernährungsmedizin und Diabetologie an einem Berliner Vivantes-Klinikum: »Durch die Entwicklung moderner und potenter Pharmatherapie ist die Ernährungstherapie in den letzten 50 Jahren immer mehr in den Hintergrund gerückt.«

Noch etwas behindere den Zugang von Patienten zu einer solchen individualisierten Therapie: »Sie ist keine GKV-Leistung.« Patienten können sich zwar vom Arzt eine Notwendigkeitsbescheinigung ausstellen lassen und eine Erstattung von 60 bis 80 Prozent bei der Kasse beantragen. In der Praxis nutzten die Patienten nur Gruppenschulungen, die aber aus Sicht von Rubin nicht effektiv genug sind.

Auch eine individuelle Therapie im Bereich Ernährung ist nur unter bestimmten Bedingungen erfolgreich: Zum einen durch regelmäßige und häufige Kontakte mit den Therapeuten; zum anderen ist wichtig, dass eine Gewichtsreduktion auf dem Weg versucht wird, der den Patienten sinnvoll erscheint. Infrage kommen verschiedene Ansätze, entweder die Reduzierung von Kohlehydraten oder von Fetten, aber auch das Intervallfasten.

Besonders gut sind die Chancen einer Ernährungsumstellung für Menschen, bei denen die Stoffwechselerkrankung neu diagnostiziert wurde. Hier kann eine Remission, also das vorübergehende oder dauerhafte Nachlassen von Symptomen, erreicht werden. Unter Umständen ließe sich das Leiden für Jahre zurückdrängen. »Und man kann sogar ohne Medikamente auskommen«, erklärt Rubin. »In Studien haben Personen, die ihr Gewicht um 15 Kilogramm reduzierten, Remissionsraten von fast 90 Prozent erreicht.« Unterstützend wirke bei neu diagnostizierten Patienten deren gute Motivation. Auch deshalb sollte der Zugang zu der Behandlungsform leichter sein.

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